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Fallbeispiel- und Furchtappelleffekte in der Gesundheitskommunikation

Subject Area Communication Sciences
Term from 2009 to 2013
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 100000777
 
Final Report Year 2013

Final Report Abstract

Das durchgeführte Forschungsprojekt hatte zum Ziel, das Potenzial von Fallbeispielen und Furchtappellen als Strategien der Gesundheitskommunikation zu untersuchen und mit einem in der Gesundheitskommunikation relevanten Modell der Verhaltensänderung zu verbinden. Damit ist es in der persuasiven Kommunikation verortet, es geht darum, Menschen durch Gesundheitsbotschaften von schädlichem Verhalten fernzuhalten und zu nützlichem Verhalten zu motivieren. Auf Basis umfangreicher Literaturarbeit wurde zunächst ein theoretisches Modell entwickelt, welches Fallbeispiele und Furchtappelle in das Stages of Change-Modell integriert. Im Rahmen einer quantitativen Inhaltsanalyse von Zeitschriftenartikeln, Flyern und Beiträgen auf Gesundheitsportalen hat sich gezeigt, dass Fallbeispiele und Furchtappelle Kommunikationsmittel sind, die in der Gesundheitspraxis eher selten eingesetzt werden. In einer Reihe von insgesamt acht Experimenten konnten entgegengesetzt zu bisherigen Forschungsergebnissen keine nennenswerten Effekte von Fallbeispielen oder Furchtappellen auf Wahrnehmungen, Einstellungen und Verhaltensintentionen festgestellt werden. Über die Gültigkeit des entwickelten theoretischen Modells lassen sich somit keine Aussagen treffen. Allerdings ergeben sich eine Reihe von Fragen und Schlussfolgerungen aus der Projektarbeit, die man wie folgt diskutieren kann: (1) Eignen sich Experimente, bei denen Teilnehmer nur einmal mit dem Stimulusmaterial konfrontiert werden, tatsächlich dazu, um Effekte von Gesundheitsinformationen auf Wahrnehmung, Einstellung und Verhalten zu untersuchen? Berücksichtigt man die Menge an Gesundheitsinformationen zu vielen verschiedenen Themen und die zum größten Teil geringe Involviertheit gerade der jungen Bevölkerung, dann ist wohl tatsächlich kaum mit kurzfristigen Effekten zu rechnen. Die Experimente der Gruppe um Peter Schulz in Lugano, die immer jeweils mit Risikogruppen bzw. Patienten durchgeführt wurden, konnten viel stärkere Effekte nachweisen. Letztlich müsste damit für die an primärer Prävention orientierte Gesundheitskommunikation gelten, dass nur langfristige Kampagnen Bewusstseins- und Verhaltensänderungen bewirken können. Dies gilt auch für die oft ins Visier genommenen „Risikogruppen", zum Beispiel Menschen mit geringerer Bildung oder sozioökonomischen Status. (2) Muss nicht theoretisch stärker unterschieden werden, ob es sich um Primärprävention mit weitgehend nicht betroffenen Personen handelt, oder um Sekundär-, Tertiärprävention oder gar Behandlung Kranker? Unser theoretisches Ausgangsmodell ist im Zusammenhang mit Suchtverhalten entwickelt worden. Allerdings ranken sich Gesundheitsthemen um eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Krankheitsbilder und Gesundheitsthemen. Hier ist auf jeden Fall für die nächste Forschung eine stärkere Differenzierung der theoretischen Zugänge notwendig. (3) Wie kann der Bereich der Gesundheitskommunikation als Gegenstand der Kommunikationswissenschaft sinnvoll theoretisch strukturiert und methodisch verortet werden? Noch ist für den deutschen Sprachraum relativ unklar, wie sich Gesundheitskommunikation sinnvoll als Themenfeld strukturieren lässt. (a) Zum einen kann man Gesundheitskommunikation als thematisch konzipiertes Teilgebiet der Kommunikationswissenschaft begreifen und es damit mit Gebieten wie der Politischen Kommunikation, der Lokalkommunikation oder der Wissenschaftskommunikation gleichstellen. Dies erforderte allerdings die konsequente Anwendung der einschlägigen Theorien öffentlicher Kommunikation (Agenda-Setting, Framing, Wissenskluft, etc.). wie sie für die Politische Kommunikation schon weitgehend entwickelt wurden. (b) Wenn man auf Kampagnen und Verhaltensänderung fokussiert, rücken ganz andere Theoriebestände, nämlich jene der persuasiven Kommunikation, in den Mittelpunkt, und damit Themenfelder wie Werbung und Public Relations. Hier muss sich die Kommunikationswissenschaft dann Fragen nach der Ethik und der Rechtfertigung von persuasiven Kommunikationsmaßnahmen gefallen lassen. Etwa danach, wer eigentlich festlegen darf, welche „education entertainment-Maßnahmen vertretbar sind und welche nicht. Dies gilt umso mehr, als entsprechende Gesundheitskampagnen oft auch von oder unter Zuhilfenahme von gewinnorientierten Pharmaunternehmen in die Wege geleitet werden. (4) Und schließlich ist aus zahlreichen Kontakten im Laufe des Projektes deutlich geworden, dass sich die Kommunikationswissenschaft im Fächerkanon stärker als Disziplin etablieren muss. Andere Fachvertreter wissen schlicht nicht um das spezifische Spektrum kommunikationswissenschaftlicher Expertise Bescheid. Dies liegt aber auch darin begründet, dass die Kommunikationswissenschaft selbst mir ihren Gegenstand und ihrem Selbstverständnis hadert. Kommunikation wird von anderen Disziplinen oft entweder als sehr breit, von der Kommunikation zwischen Zellen bis zur Massenkommunikation, aufgefasst, oder sehr spezifisch im Sinne der Arzt-Patient-Kommunikation oder der Organisationskommunikation in Krankenhäusern. Dass die deutsche Kommunikationswissenschaft, anders als es der Krotz'sche Allgemeinheitsanspruch vortäuscht, nicht alle Enwartungen erfüllen kann, liegt auf der Hand. Das spezifische Profil einer an öffentlicher Kommunikation orientierten Wissenschaft deutlich zu machen, gehört im Diskurs der Disziplinen zu einer kommunikativen Notwendigkeit.

Publications

  • (2008). Die Bedeutung von Fallheispielen und Furchtappellen für die massenmediale Gesundheitsprävention. 1. Lugano-München-Kolloquium „Perspektiven der Gesundheitskommunikation", 9. Oktober, München
    Pfister, T.
  • (2009). Aufklärer und Risikofaktor. Die Rolle der Massenmedien in der Gesundheitskommunikation. Prävention. Zeitschrift für Gesundheitsfördemng, 32, 99-102
    Brosius, H.-B. & Rossmann, C.
  • (2010). DFG-Projekt „Fallbeispiel- und Furchtappelleffekte in der Gesundheitskommunikation". 5. IfKW-Mediengespräch / 3. Lugano- München-Kolloquium „Neue Erkenntnisse aus der Gesundheitskommunikationsforschung", 16. April, München
    Pfister, T.
  • (2010). Fear appeals and exemplars in German magazine articles. 4. Lugano-München-Kolloquium "Communication and Health: Research on New Topics", 04. -05. November, Lugano
    Pfister, T.
  • (2010). Grenzen der Wirksamkeit von Fallbeispielen? Publizistik, 55, 275-288
    Peter, C. & Brosius, H.-B.
  • (2010). Theorie- und evidenzbasierte Kampagnenplanung. In Deutsche Diabetes-Stiftung (Hrsg.), Diabetes in Deutschland. Fakten - Zahlen - Prävention (S. 237-258). München: Edition Lipp
    Rossmann, C. & Brosius, H.-B.
  • (2012). Die Risiken der Risikokommunikation und die Rolle der Massenmedien. Bundesgesundheitsblatt, 56, 118-123
    Rossmann, C. & Brosius, H.-B.
  • (2012). Mit Fallbeispielen und Furchtappellen zu erfolgreichen Gesundheitsbotschaften? Dissertation an der LMU München
    Pfister, T.
  • (2012). Stilmittel mit Potenzial? Zur Darstellung von Furchtappellen und Fallbeispielen in Zeitschriften, Flyern und Internetportalen. 6. Tagung des Netzwerks Medien und Gesundheitskommunikation, 21.-23. März, München
    Pfister, T. & Ziegler, L.
  • (2013). Ergebnisse und Fazit aus dem DFG-Projekt „Fallbeispiel- und Furchtappelleffekte in der Gesundheitskommunikation". 5. Lugano- München-Kolloquium "Aktuelle Fragen der Gesundheitskommunikation", 08. Februar, München
    Ziegler, L.
 
 

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