Aufarbeitung und Publikation der römischen Nekropole von Haltern
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In Haltern am See ist es in den Jahren 1982 bis 2008 gelungen, eine augusteische Nekropole aufzudecken, die in ihrer Zeitstellung und Geschlossenheit ohne Beispiel ist. Die Anlage der Gräber kann aus historischen Gründen nur in dem kurzen Zeitraum von etwa 7/5 v. Chr. bis maximal 16 n. Chr. erfolgt sein. Derartig zeitlich geschlossene augusteische Friedhöfe sind sonst aus dem Gebiet des Imperiums bislang nicht bekannt geworden. Die systematische Aufarbeitung der Befunde und Funde durch das Fach Klassische Archäologie an der Universität Trier in Kooperation mit der LWL-Archäologie für Westfalen mit Hilfe der DFG erbrachte Ergebnisse, die beim Projektantrag nicht voraus zu sehen waren. Die wichtigsten Erkenntnisse sollen hier kurz vorgestellt werden. Die Bestattungen und Grabbauten von Haltern stehen in der Tradition der Gräber und Grabbauten italischer Gräberstraßen. Die römischen Gräber in Haltern sind Bestandteil einer italisch geprägten Grabkultur inmitten eines völlig fremden kulturellen Raumes. Für die Anlage der Nekropole standen nur maximal 23 Jahre zur Verfügung und der Platz für die Anlage der einzelnen Gräber war nicht begrenzt. Dennoch ist zu konstatieren, dass sich mindestens drei, wenn nicht sogar vier, verschiedene zeitliche Phasen bei der Anlage der einzelnen Grabbauten unterscheiden lassen. Intentionelle Zerstörungen von Gräbern und Überbauungen einzelner Grabanlagen sind die Indizien dafür. Man wird diese Befunde nur auf historische Ursachen zurückführen können, die im Zusammenhang mit den augusteischen Germanenkriegen stehen. Zu bestätigen scheinen dies auch zahlreiche Funde gebrauchter Waffen und Waffenteile, die sich im Bereich der Ausgrabungsflächen fanden und nicht aus Gräbern stammen. Die Untersuchung aller Leichenbrände zeigt, dass wir es bei dieser Nekropole tatsächlich nicht mit einem rein militärischen Friedhof zu tun haben, sondern Frauen und Kinder, also zivile Personen, ebenfalls dort bestattet wurden. Die Beigaben der einzelnen Bestattungen sind nicht so aussagekräftig, dass sich aus diesen auf das Geschlecht des Bestatteten schließen lässt. Es scheint aber so zu sein, dass sich nur in männlichen Gräbern die Reste römischer Speisesofas (Klinen) finden. Insgesamt lassen sich ca. 30 verschiedene Klinen in dem Fundmaterial identifizieren, von denen sich ca. 15 Sofas einzelnen Bestattungen zu weisen lassen. Bei diesen Speisesofas handelt es sich Möbel des alltäglichen Bedarfs, auf denen die Toten verbrannt wurden. Eine Sitte, die sich vor allem in Mittelitalien und Südgallien in augusteischer Zeit beobachten lässt. Der Raumbedarf für die Aufstellung dieses Möbels war so groß, dass dies die Möglichkeiten eines "einfachen" Legionärs bei weitem überschritt. Damit dürften die Besitzer zu einer "besser gestellten" Schicht des römischen Personenkreises in Haltern gehört haben. Diese Befunde erzwingen, sich weitere Gedanken über die wirkliche Rolle der römischen Anlagen in Haltern im Zusammenhang mit den Germanenkriegen des Augustus zu machen. Bei den Relikten der angesprochenen Klinen handelt es sich um Knochenschnitzereien, die mehr oder weniger starke Brandspuren aufweisen und zumeist nur in wenigen Stücken aus den Bestattungen geborgen werden konnten. Aus einem Grab ließen sich jedoch weit über 60% der Schnitzereien einer Kline bergen. Um ein klares Bild dieser Möbel in Haltern zu gewinnen, entschloss sich die LWL-Archäologie für Westfalen in Kooperation mit der Universität Trier, Fach Klassische Archäologie, in einem eigenständigen Projekt diese Kline zu rekonstruieren. Das Ergebnis der Rekonstruktion war so ansprechend, dass diese nun einen Mittelpunkt der archäologischen Landesausstellung 2016 Nordrhein-Westfalens bildet und auch für ein breites Publikum ein Bild der römischen Lebenskultur in Haltern vermittelt. Schon während der Projektzeit wurde damit begonnen, vorläufige Ergebnisse in wissenschaftlichen Vorträgen und Publikationen dem Fachpublikum vorzustellen und zu diskutieren. Höhepunkt war sicher ein Kolloquium zu augusteischen und tiberischen Gräbern vom 11. bis 14. November 2010 in Trier. Die Ergebnisse dieses Kolloquiums fanden ihren Niederschlag in einer Publikation. Daneben wurde auch in der Publikumszeitschrift "Archäologie in Deutschland" über einzelne Ergebnisse, vor allem zum Projekt der Rekonstruktion der römischen Kline, mehrfach berichtet. Ergänzt wurde dies durch öffentliche Vorträge für ein breiteres Publikum.