Steuerung eines flexiblen Endoskops
Final Report Abstract
Endoskopische Diagnostik wird seit über 130 Jahren in der Medizin durchgeführt. Diagnostische Rhinoskopie wird für Diagnosen entzündlicher Veränderungen, wie z.B. Nasenpolypen, Tumoren und allergischer Erkrankungen, verwendet. Die flexible Endoskopie erweitert die diagnostischen und therapeutischen Einsatzmöglichkeiten der Endoskopie durch die längere Reichweite und den biegbaren, flexiblen Schaft. Die Diagnose der Nasenhöhle mit einem flexiblen Endoskop wird bisher nur manuell vom Arzt durchgeführt. Dadurch, dass der flexible Schaft des Endoskops sich während einer Untersuchung im menschlichen Körper befindet und es verschiedene Freiheitsgrade der Bewegung für die Spitze gibt, verliert der Arzt die Orientierung, weswegen die rein manuelle Steuerung des Endoskops schwierig ist. Bislang sind keine robotische Assistenzsysteme auf dem Markt erhältlich. Im Stand der Forschung liegen mit Ausnahme des von uns entwickelten Systems noch keine Arbeiten zur vereinfachten Bedienung eines flexiblen Endoskops in der Rhinoskopie vor. Um dieses medizinische Problem zu beheben, sollte im Rahmen des Projektes die Steuerung eines flexiblen Endoskops für die Diagnose in der HNO-Heilkunde erleichtert und verbessert werden. Dazu wurde ein Manipulatorsystem entwickelt. Dieses besteht erstens aus einem Manipulator, auf den ein konventionelles flexibles Endoskop aufgesteckt und von außen angesteuert werden kann. Zwei Freiheitsgrade des Endoskops, die Rotation und Krümmung der Endoskopspitze, wurden dabei motorisiert. Das System besteht zweitens aus einer Software für Auswertung und Bedienung. Diese wertet die endoskopischen Bilder aus und erlaubt eine halbautomatische Steuerung des Endoskops. Dabei werden die Rotation und Krümmung des distalen Endes variiert, sodass sich die Optik am distalen Ende zur Mitte des Atemwegs ausrichtet. Auf diese Weise wird die Endoskopführung in die Nasenhöhle vereinfacht und beschleunigt. Zentrales Element war es, einen kleinen und einhändig tragbaren Manipulator zur motorisierten Ausrichtung eines flexiblen Endoskops zu entwickeln. Mit einem aufsteckbaren Modul kann ein flexibles Rhinoskop ohne Werkzeug am Manipulator angesteckt werden. Der Vorschub des Endoskops wird noch manuell von der Hand des Arztes durchgeführt, um die für den Arzt gewohnte Handhabung nicht grundlegend zu ändern. Alle Gehäuseteile des Manipulators wurden aus biokompatiblem Kunststoff (Rohpulver PA2200 ist medizinisch zugelassen) durch selektives Lasersintern (Rapid Prototyping) hergestellt und können desinfiziert werden. Ein direkter Kontakt zwischen Manipulator und Patient findet nicht statt. Ein Mikrocontroller steuert den Manipulator so, dass die empfangenen Steuerbefehle in Stellwerte für die Servomotoren umgewandelt werden können. Durch den Manipulator wird der Ablauf der Diagnose nicht verändert. Ein Desinfektionskonzept des Systems wurde erarbeitet. Durch den Manipulator kann ein flexibles Endoskop telemanipuliert oder halbautomatisiert gesteuert werden. Bei der Telemanipulation kann der Arzt den Manipulator mit einer Hand tragen und zugleich über zwei im Manipulator integrierte Wipptaster bedienen. Im automatisierten Modus wird die Endoskopspitze auf der Basis von Videodaten auf das Zielgebiet ausgerichtet. Der Atemweg entspricht der Bewegungsrichtung des Endoskops und wird durch Datenverarbeitung der Endoskopbilder bestimmt. Mithilfe der Position des Atemwegs werden die benötigten Dreh- und Biegewinkel des Endoskops berechnet und über eine Computer-Schnittstelle an den Manipulator gesendet. Dieser steuert die Endoskopspitze und richtet sie automatisch zur Kanalmitte aus. Die Position der Endoskopspitze in der Nase wird von einem elektro-magnetischem Navigationsgerät bestimmt und in den CT-Schichtbildern visualisiert. Für die korrekte Kalibrierung der biegbaren Spitze des Endoskops wurde ein neuer Kalibrieralgorithmus entwickelt. Aus den in Echtzeit gespeicherten Positionen der Endoskopspitze kann der vom Endoskop angefahrene Pfad generiert und in den CT-Schichtbildern angezeigt werden. Für die Evaluierung des Systems wurde ein Nasenphantom entwickelt. Anatomische Strukturen wie das Nasenbein, das Weichgewebe und angrenzende Atemwege wurden aus CT-Daten segmentiert und in Software dreidimensional rekonstruiert. Abschließend wurde das 3D rekonstruierte Nasenphantom durch Rapid Prototyping hergestellt. In einem Experiment an dem Nasenphantom wurde gezeigt, dass die zur Führung eines flexiblen Endoskops benötigte Zeit im halbautomatischen Modul deutlich kürzer war, als bei der manuellen Endoskopführung. Das Manipulatorsystem wurde mehrfach klinisch in Diagnosen der Nasenhöhle an Patienten evaluiert und es konnte nachgewiesen werden, dass sich das System in die bestehende klinische Routine integrieren lässt. Zur Vorbereitung der medizinischen Zulassung wurde eine Produktakte erstellt. Zudem wurden die relevanten elektromagnetische Verträglichkeit- und elektrischen Sicherheitstests bestanden. Das Konzept zur automatischen Steuerung eines motorisierten flexiblen Rhinoskops für Diagnosen der Nasenhöhle kann in weiteren ähnlichen Szenarien verwendet werden. Beispielsweise kann der Manipulator zur motorisierten Ausrichtung eines Laryngoskops oder Bronchoskops für die Kehlkopfchirurgie eingesetzt werden. Die automatische Steuerung des flexiblen Endoskops soll in Zukunft robuster und sicherer gestaltet werden, sodass sich das Endoskop fehlerfrei im Inneren des Patienten bewegen kann. Auf Basis des gespeicherten Pfads soll der vorher zurückgelegte Weg, bzw. die zuletzt untersuchte Region von dem motorisierten flexiblen Endoskop erneut angefahren werden können. Die telemanipulierte Steuerung des Endoskops soll intuitiver gestaltet werden, indem der Arzt die weitere Bewegungsrichtung aus mehreren automatisch generierten Pfaden auswählen kann und die Ausrichtung der Endoskopspitze selbstständig erfolgt. J.D.J. Gumprecht and T.C. Lueth, “Chirurgische Assistenzmethoden: Kleine Spezialsysteme unterstützen den Chirurgen von heute,” Medizintechnik in Bayern, 2011, pp. 42- 44
Publications
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