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GRK 1608:  Self-Making. Practices of Subjectivation in Historical and Interdisciplinary Perspective

Subject Area History
Term from 2010 to 2019
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 118660364
 
Final Report Year 2020

Final Report Abstract

Die schlichte Leitfrage unseres Graduiertenkollegs lautete: Was macht ein Subjekt? Ihre Doppeldeutigkeit war gewollt: Anstatt Subjekte entweder als autonome Zentren des Denkens, Fühlens und Handelns oder aber als bloße Effekte vorgängiger sozialer Strukturen aufzufassen, ging es uns darum, theoretisch-empirisch zu beleuchten, wie menschliche Wesen in verschiedenen historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Kontexten zu Subjekten gemacht werden und sich selbst zu Subjekten machen. Das Begriffspaar ‚Subjektivierung‘ und ‚Selbst-Bildung‘ markiert dieses Spannungsfeld ausdrücklich: ‚Subjektivierung‘ bringt heuristisch die Prozesse der Fügung in gegebene Normen der Anerkennbarkeit in den Blick‚ ‚Selbst-Bildung‘ hingegen die Formungsarbeit und die Erfahrungen, die Menschen in der Teilnahme an historischen und gegenwärtigen Praktiken an sich selbst leisten und mit sich selbst machen. Dieses Erkenntnisinteresse ist praxis- und diskurstheoretisch motiviert: Praxistheorie richtet die Aufmerksamkeit auf die gegenständlichen Praktiken – Schreiben, Unterrichten, Handel, Wissenschaft oder Sport treiben usw. –, in denen sich Menschen als konkrete Subjekte (Schriftsteller, Lehrerin, Unternehmerin, Kaufmann, Wissenschaftlerin, Sportler usw.) zeigen und (an)erkennbar machen. Mit den Praktiken kommen zum einen auch die Räume, Dinge und Artefakte (Arbeits- und Klassenzimmer, Stift und Papier, Laptop und Smartboard usw.) in den Blick, die an den Prozessen der Subjektwerdung beteiligt sind, zum anderen die Bewegungen, Auftritte und Gesten des Körpers, in denen die Subjektivierung sich vollzieht und ein praktisches Wissen darüber zeigt, wie man etwas ‚adäquat‘, ‚gut‘, ‚kompetent‘ usw. macht. Diskurstheoretisch werden zudem epochen- und bereichsspezifische Wissensordnungen, Texte, Bilder und Vorstellungswelten erkennbar, die eine grundlegende regulative Funktion für die Orientierung des Handelns und Bewusstseins, der Affekte und Gefühle entfalten, jedoch überwiegend unbewusst bleiben. Insgesamt eröffnen die Begriffe ‚Subjektivierung‘ und ‚Selbst-Bildung‘ mithin ein Untersuchungsfeld, auf dem das Interesse weder einseitig den gesellschaftlichen Einflüssen auf die Subjektwerdung, noch nur den selbst-bildenden Aktivitäten von Menschen, sondern den ko-konstitutiven Zusammenhängen von ‚doing subject‘ und ‚doing culture‘ gilt – ohne die Spannung zwischen diesen beiden Prozessen einseitig aufzulösen. In historischen und empirischen Studien konnten die Forschungen des Kollegs auf dieser Folie detailliert zeigen, wie Menschen im Vollzug historischer und gegenwärtiger Praktiken allmählich in bestimmte Subjektformen (des ‚Schriftstellers‘, ‚Lehrers‘, ‚Kaufmanns‘ usw.) ‚hineinwachsen‘ und dabei charakteristische Welt- und Selbstverhältnisse ausbilden. Deutlich wurde aber auch, wie sie in diesen Prozessen ungleichartige Subjektformen (etwa des ‚Schriftstellers‘ und des ‚Unternehmers‘) zu neuen Formen kombinieren und damit Veränderungen in den sozialen Feldern bewirken, in denen sie agieren. Über die wechselseitige Anregung von Theorie und Empirie konnte das Kolleg einen eigenständigen Beitrag zur Entwicklung der Subjektivierungsforschung und der Praxistheorie leisten. Ausschlaggebend dafür waren insbesondere historisch-empirische Einsichten in die vielfältigen Unstimmigkeiten, Reibungen und Konflikte, die in den zeitlichen Verläufen von Subjektivierungen auftauchen und fortlaufend ‚bewältigt‘ werden müssen. Dazu gehören beispielsweise die fehlende Passung zwischen Habitus und Feld, Spannungen zwischen unvereinbaren Gewohnheiten oder situationsbedingte Äußerungen von (körperlichem) Eigensinn, Widerborstigkeit und Widerstand. Diese Einsichten führten insgesamt zu einem geschärften Interesse für die Umstände des Auftretens kritischer körperlicher und sprachlicher Äußerungen, in denen sich Subjekte von den Bedingungen distanzieren, denen sie ihre Subjektförmigkeit verdanken: Praktiken und Subjektformen erschienen im Verlauf der Forschungen des Kollegs nicht länger als übergeordnete Kräfte, die sich ‚ihre‘ Teilnehmer ‚rekrutieren‘, vielmehr wurden zunehmend Äußerungen einer bedingten Handlungsmacht und Freiheit sichtbar, die sich grundlegend von jeder Willkürfreiheit unterscheidet, aber gleichzeitig auch über die jeweils gegebene Ordnung hinausweist.

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