Grundsätzliche Untersuchungen zur durchgängig aerodynamischen Teilevereinzelung
Final Report Abstract
2 ZUSAMMENFASSUNG 2.1 ALLGEMEINVERSTÄNDLICHE DARSTELLUNG DER WESENTLICHEN ERGEBNISSE UND DER ERZIELTEN FORTSCHRITTE GEGENÜBER DEM STAND DES WISSENS ZUM ZEITPUNKT DER ANTRAGSTELLUNG Viele Autoren bestätigen die zunehmende Bedeutung der Zuführtechnik als peripheres System der Montage. Insbesondere im Bereich der automatisierten Hochgeschwindigkeitsmontage lassen sich geringe Verfügbarkeiten des Montagesystems auf Störungen in der Zuführtechnik zurückführen. Gründe hierfür liegen in der Störanfälligkeit konventioneller Zuführsysteme wie Vibrationswendelförderern. Die geförderten Kleinbauteile neigen dazu, sich an den mechanischen Schikanen der Anlagen zu Verklemmen. Dies führt zu kurzen aber häufigen Störungen, die durch manuelle Eingriffe beseitigt werden müssen. Ein weiterer Nachteil dieser konventionellen Vereinzelungssysteme ist ihre Geometriegebundenheit, da sie in der Regel für ein bestimmtes Werkstück konstruiert werden. Änderungen am Werkstück, wie beispielsweise eine neue Variante, haben damit zumeist auch eine konstruktive Veränderung des Vereinzelungssystems zur Folge. Die aerodynamische Vereinzelung, die vor über 13 Jahren von LORENZ am Institut für Fabrikanlagen und Logistik entwickelt wurde, bietet einen Ansatz, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Durch die Vereinzelung von Bauteilen in einem Zylinder mithilfe von Luftströmungen, kommt das System ohne bewegliche Teile aus. Dies und der einfache Aufbau sorgen für eine hohe Geometrieneutralität und eine geringe Störanfälligkeit. Zudem lassen sich sogar Bauteile mit gummierten und/oder biegeschlaffen Elementen vereinzeln, für die es heutzutage keine automatisierten Lösungen gibt. Zu Beginn des Forschungsprojektes existierte kein grundlegendes Verständnis der Prozesse, die innerhalb der aerodynamischen Zentrifuge ablaufen. Auch war unklar, welche Einflüsse die Strömungen, die Werkstückeigenschaften und die konstruktive Gestaltung des Zylinders auf die Vereinzelungs- und Orientierungsleistung haben. Dieses Verständnis ist jedoch notwendig, um ein aerodynamisches Vereinzelungssystem für verschiedene Werkstücke auslegen zu können. Daher war es das Ziel des Forschungsvorhabens, ein Erklärungsmodell zu entwickeln, welches den Luftwirbel und das Teileverhalten in diesem beschreibt. Folgende Forschungsfragen wurden in diesem Zusammenhang gestellt: Wie kann eine anforderungsgerechte Luftströmung im Zylinder erzeugt werden? Welche Einflussgrößen wirken auf die Bewegung der Werkstücke? Aus welchem Grund findet eine Vororientierung der Werkstücke statt? Wie verhält sich die Geschwindigkeit der Werkstücke in Abhängigkeit von Masse, Reibung, Luftgeschwindigkeit und weiteren Einflussgrößen? Welche Einflussgrößen können zur Parametrierung der Zentrifuge genutzt werden? Auf Basis des Erklärungsmodells sollte ein Gesamtsystem entwickelt und in Form eines Prototyps realisiert werden. Um den industriellen Nutzen des Systems zu überprüfen, sollte abschließend eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchgeführt werden. Zum Erreichen des Forschungsziels wurden im Vorfeld die strömungsmechanischen Grundlagen erörtert. Es wurde deutlich, dass die Zustandsgrößen Druck und Geschwin- Seite 4 NY 4/26-1 „Entwicklung von Beschreibungs- und Erklärungsmodellen zur Vereinzelung von Werkstücken auf Basis rotierender Luftströmungen“ digkeit der Strömung maßgeblichen Einfluss die Bewegung der Werkstücke haben. Aus diesem Grund wurden im Folgenden vier verschiedene Versuche durchgeführt, um die Drücke und Geschwindigkeiten innerhalb der aerodynamischen Zentrifuge während des Vereinzelungsprozesses zu bestimmen und zu interpretieren. Zuerst wurde mithilfe von Wanddruckbohrungen die Druckverteilung an der Zylinderwand oberhalb der Wendelbahn gemessen. Die gemessenen Druckunterschiede ließen auf ein Beschleunigen bzw. Verzögern der Werkstücke im Bereich des Auslasses schließen. In einem zweiten Versuch wurden der Volumenstrom und die Geschwindigkeit der durch die Hohlwelle einströmenden Luft gemessen. Die Ergebnisse zeigten erhebliche vertikale Strömungsgeschwindigkeiten, die die horizontale Kreisströmung überlagern und den Teiletransport behindern könnten. Diese Überlagerung wurde auch durch eine folgende optische Lasermessung der Geschwindigkeiten in horizontaler und vertikaler Ebene bestätigt. Da die gemessenen vertikalen Luftbewegungen im Wandbereich jedoch eher gering waren, ist ein Einfluss auf die Teilebewegung unwahrscheinlich. Die optische Messung zeigte auch, dass sich die Strömung ähnlich einem Rankine-Wirbel verhält, was für die spätere mathematische Beschreibung der Werkstückbewegung genutzt werden konnte. Auf Basis der Messergebnisse wurde ein Simulationsmodell erstellt, mit dem verschiedene Ventilatorgeometrien zur Strömungserzeugung simuliert wurden. Die Ausgangskonfiguration mit vier senkrecht stehenden Blättern erwies sich jedoch als am besten geeignet. Im nächsten Schritt wurde das Verhalten verschiedener Werkstückgeometrien in der Zentrifuge untersucht. Versuche mit realen Bauteilen ließen darauf schließen, dass das Verhältnis von angeströmter Fläche zum Gewicht des Bauteils sowie dessen Exzentrizität von entscheidendem Einfluss für die Vereinzelungs- und Orientierungsleistung sind. Anhand dieser Erkenntnisse wurden spezielle Musterbauteile gefertigt, die eine getrennte Untersuchung der Einflussgrößen zuließen. Es konnte bestätigt werden, dass sich eine große Anströmfläche, ein geringes Gewicht und eine starke Exzentrizität positiv auf die Leistung des Systems auswirken. Nachfolgend wurde untersucht, welche Einflüsse die Konstruktion der Zentrifuge hat. Mittels der Design-of-Experiments-Methode wurde aus einer Vielzahl möglicher Faktoren sechs für eine genauere Betrachtung ausgewählt, die allesamt einen großen Einfluss auf die Leistung des Systems haben. Die Steigung, Breite und das Material der Wendel, die Ventilatorform und -drehzahl sowie das Zylindermaterial haben demnach die größten Effekte für die Ausbringungsleistung. Im letzten Schritt wurde ein mathematisches Modell der Bauteilbewegung im Zylinder formuliert. Dazu wurde das Kraftprofil der Strömungen als Rankine-Wirbel idealisiert angenommen. So konnte für verschiedene Bereiche im Zylinder die Bewegung der Bauteile mathematisch beschrieben werden. Die zuvor gewonnenen Erkenntnisse wurden zusammengeführt, um die aerodynamische Vereinzelung als Gesamtsystem auszulegen. Dazu wurde die Zentrifuge in fünf Module unterteilt, die einzeln beschrieben und parametriert wurden. In Zukunft können auf diese Weise in Abhängigkeit vom Werkstückspektrum für jedes Modul die geeigneten Parameter ermittelt werden, was den Aufwand für eine erste Auslegung reduziert. Darauf basierend wurden dann mehrere Gesamtsysteme für verschiedene reale Werkstücke ausgelegt und konstruiert. Mit diesen konnte gezeigt werden, dass die aerodynamische Zentrifuge die gestellten Anforderungen an heutige Zuführtechnik erfüllt. Durch das zugrundliegende Prinzip einer Vereinzelung mit Luftströmungen und den wenigen mechanischen Komponenten werden hohe Prozesssicherheit und geringe Störzeiten erreicht. Mit realen Beispielbauteilen wurden Ausbringungsleistungen von bis zu 283 Seite 5 NY 4/26-1 „Entwicklung von Beschreibungs- und Erklärungsmodellen zur Vereinzelung von Werkstücken auf Basis rotierender Luftströmungen“ Teilen/Minute erreicht. Da die Funktion der Zentrifuge überwiegend unabhängig von der äußeren Kontur der zu vereinzelnden Werkstücke ist, muss sie für Werkstücke des gleichen Spektrums nicht umgerüstet werden. Eine Konfiguration der Zentrifuge kann zudem mit wenig Aufwand an ein verändertes Werkstückspektrum angepasst und so ggfs. über mehrere Produktlebenszyklen genutzt werden. Die erfolgreiche Vereinzelung von Katheterschläuchen mit einer Leistung von 183 Stück/Minute bei 95% gleich liegenden Teilen zeigte, dass auch gummierte, biegeschlaffe Werkstücke vereinzelt werden können. Für so hohe Stückzahlen bieten konventionelle Systeme bei dieser Art von Bauteilen zurzeit keine Lösung. Um die Funktionsweise der Zentrifuge auch fachfremdem Publikum auf einfache Weise demonstrieren zu können, wurde zusammen mit der Fachhochschule Hannover und der Firma AFAG ein Demonstrator entwickelt und konstruiert. Abschließend wurde eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung in Form eines Vergleichs mit konventionellen Zuführsystemen durchgeführt. Dazu wurde ein Softwaretool programmiert, welches den Vergleich verschiedener Vereinzelungssysteme ermöglicht. Mithilfe des Tools wurden für drei reale Bauteile verschiedene Investitionsszenarien durchgespielt. Als Kennwerte der Zentrifuge dienten die Messergebnisse aus den Versuchen, für die Kennwerte der konventionellen Systeme wurden Angebote der Firma AFAG eingeholt. Es ließ sich festhalten, dass die aerodynamische Zentrifuge auch aus wirtschaftlicher Sicht für eine industrielle Anwendung von Vorteil ist. Sowohl die Investitionskosten als auch die Betriebskosten lagen unter denen von vergleichbaren Vibrationswendelförderern. Letzteres ist vor allem durch die geringeren Personalkosten für Entstörung und Instandhaltung begründet. Insgesamt leistet das Projektergebnis einen Beitrag zur Verbesserung des Verständnisses der strömungsmechanischen Vorgänge innerhalb der aerodynamischen Zentrifuge. Es konnte beantwortet werden, welchen Einfluss die Werkstückgeometrie und die Konstruktion der Zentrifuge auf die Vereinzelungsleistung haben. Die Versuche mit den konstruierten Gesamtsystemen zeigten, dass die Aufteilung in einzeln zu parametrierende Module bei einer Auslegung für neue Werkstücke zu guten Ergebnissen führt. Die Wirtschaftlichkeit der aerodynamischen Vereinzelung wurde anhand eines Vergleichs mit konventionellen Systemen bewiesen.
Publications
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- Aerodynamische Zuführ- und Vereinzelungstechnik - Flexible Hochgeschwindigkeits-Teilebereitstellung für die Massenproduktion, 2. WGP- Jahreskongress (2012), Berlin, Deutschland
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