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Antikes und byzantinisches Glas aus Pergamon

Antragsteller Dr. Holger Schwarzer
Fachliche Zuordnung Klassische, Provinzialrömische, Christliche und Islamische Archäologie
Förderung Förderung von 2005 bis 2008
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 12591577
 
Erstellungsjahr 2009

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das mit einem Forschungsstipendium geförderte Projekt »Antikes und byzantinisches Glas aus Pergamon« widmete sich einer in dieser so berühmten Metropole nahezu unerforschten Materialgattung, von der selbst aus dem übrigen Kleinasien nur sehr wenig bekannt ist. Im Mittelpunkt der Untersuchungen standen die Glasfunde aus der 1973-1993 durchgeführten Stadtgrabung, ergänzt durch jene aus den älteren Grabungen (Oberburg, Asklepieion, Musalla Mezarlık), sofern sie für die Typologie relevant erschienen. Es handelt sich dabei vor allem um Gefäße, aber auch Gegenstände und Geräte sowie Schmuck und Fensterglas. Als zentrale Frage galt es zu klären, ob Pergamon einst über lokale sekundäre Glaswerkstätten verfügte. Aus sozial- und wirtschaftsgeschichtlicher Perspektive war es zudem von Interesse, wie sich die Funde innerhalb der Stadtviertel verteilten, in welchen Zeiträumen und in welchem Umfang Importe in die Stadt kamen und woher sie stammten. Allgemeingültige Aussagen ließen sich daher nur durch eine vollständige Sichtung der vor Ort magazinierten Stücke (ca. 20.000 Fragmente) erzielen, die – soweit es der Erhaltungszustand gestattete – mit einer typologischen und chronologischen Bestimmung derselben einherging. Als wichtige Ergebnisse kristallisierten sich ein bemerkenswert breites Fundspektrum, charakteristische Leitformen der pergamenischen Produktion und ein beachtlicher Anteil an Importen heraus. Glasfunde aus der archaischen und klassischen Periode liegen (bis auf ganz wenige spätklassische Stücke) in Pergamon bislang nicht vor. Einige Fragmente kerngeformter Gefäße sind ausnahmslos hellenistisch zu datieren. Erst nach dem Ende der Königszeit (133 v. u. Z.) scheint sich in Pergamon eine sekundäre Glasproduktion angesiedelt zu haben. Diverse Typen formgeschmolzener Gefäße, die bis zur Zeitenwende hergestellt wurden, gehen auf sie zurück. Späthellenistische und frühkaiserzeitliche Luxusgüter, wie Mosaik- und Fadennetzgläser, stellen jedoch allesamt Importe, wohl aus der Ägäis und der Levante sowie aus Italien, dar. Die Erfindung des Glasblasens führte auch in Pergamon ab der Mitte des 1. Jhs. u. Z. zu einer Massenproduktion von Glaserzeugnissen, die bis in frühbyzantinische Zeit andauerte. Aus dieser Spanne stammt die größte Menge des Fundmaterials. Zwar enthält es zuweilen wiederum Einfuhrgut aus dem östlichen Mittelmeerraum und Italien, für den weitaus überwiegenden Teil zeichnen sich indes spezifische lokale, durch Form, Farbe und ggf. Dekor definierbare Leitformen ab. Ab dem frühen 8. Jh. war Pergamon dann für längere Zeit unbewohnt, was sich auch in der Absenz von Glasfunden niederschlägt. Erst in mittel-/spätbyzantinischer Zeit, im 12./13. Jh., blühte wieder eine örtliche sekundäre Glasproduktion auf, welche bis zur Eroberung der Stadt durch die Türken Anfang des 14. Jhs. währte. In diese Periode datieren auch etliche islamische Importe, die in dieser Zahl von keinem anderen Fundplatz im westlichen Kleinasien bekannt sind. Abgesehen von den Überresten eines nicht weiter dokumentierten Glasofens auf dem Musalla Mezarlık wurden in Pergamon noch keine weiteren Glaswerkstätten entdeckt. Die hohe Zahl an Glasfluß- bzw. Rohglasbrocken und Glasschlacke im gesamten Stadtgebiet bezeugt allerdings deren einstige Existenz. Wegweisende Erkenntnisse verdanken wir den naturwissenschaftlichen Glasanalysen, die den erstmaligen Nachweis einer primären Glasproduktion im westlichen Kleinasien erbrachten. Diese schon in der 1. Hälfte des 1. Jahrtausends u. Z. einsetzende Produktion zeichnete sich durch die Herstellung zweier mit Bor angereicherter Glassorten aus, von denen die eine einen zusätzlich erhöhten Lithium-Wert aufweist. Bislang waren etwa für die Spätantike nur die fünf Glassorten Egypt I und II, Levantine I und II sowie HIMT bekannt. Da die weltweit größten Bor-Lagerstätten nordöstlich von Pergamon liegen und sämtliche der untersuchten pergamenischen Proben des 12. und 13. Jhs. den beiden neu identifizierten Glassorten HBAl und HLiBAl angehören, besteht eine große Wahrscheinlichkeit, daß diese primären Glaswerkstätten in der näheren Umgebung von Pergamon gelegen haben.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Eine römische Glasphalera mit dem Porträt des Tiberius aus Pergamon, in: E. Winter (Hrsg.), Vom Bosporus bis zum Euphrat - Kleinasien in der Antike, Festschrift für Elmar Schwertheim. Asia Minor Studien 65 (Bonn 2008) pp. 633-637.
    H. Schwarzer
  • Spätantike, byzantinische und islamische Glasfunde aus Pergamon. In: E. Laflı (Hrsg.), Late Antique/Early Byzantine Glass in the Eastern Mediterranean. Conference Papers presented at the International Colloquium »Late Antique Glass in Anatolia (4th to 8th cent. A.D.)« in October 25–28, 2009 in Izmir, Turkey (Izmir 2009) pp. 85–109
    Holger Schwarzer
 
 

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