Das Führen eines Kraftfahrzeugs unter Doppeltätigkeitsbelastung: Altersbedingte Leistungsunterschiede in Gefahrensituationen
Final Report Abstract
Gegenstand des Projekts waren die altersabhängigen temporären Leistungseinbußen in Gefahrensituationen des Straßenverkehrs, die bei Doppeltätigkeit und unter verschiedenen Kompatibilitätsbeziehungen zwischen den Aufgaben zu erwarten sind. Im ersten Teil des Projekts wurde zunächst geprüft, inwieweit die Befunde aus der grundlagenorientierten Kompatibilitätsforschung auf natürliche Reizsituationen übertragbar sind. Der Befund in Laborsituationen ist der, dass ein ipsilateraler (mit der Reaktion räumlich korrespondierender) Reiz die Reaktion erleichtert, wohingegen ein kontralateraler Reiz einen Nachteil darstellt. Derartige Befunde werden von Kompatibilitätstheorien auf eine automatische Aktivierung der kompatiblen Reaktion zurückgeführt. Dazu wurde ein Taxifahrer-Szenario entwickelt, in dem den Versuchspersonen in einer simulierten Fahrsituation kurze Videosequenzen gezeigt wurden, in denen Personen (eine heranwinkende oder eine plötzlich auf die Fahrbahn springende Person) rechts oder links auf dem Bildschirm erscheinen. Die Probanden sollten entweder mit einer Zuwendungs- oder einer Ausweich-Reaktion mittels Lenkradbewegung reagieren. Entgegen den Vorhersagen gängiger Kompatibilitätstheorien erfolgte die Ausweichreaktion auf eine plötzlich auf die Straße springende Person (inkompatible Bedingung) signifikant schneller als die Zuwendungs-Reaktion auf die winkende Person (kompatible Bedingung). Dieser Effekt war auch mit älteren Probanden zu beobachten, interessanterweise zeigen diese zwar verlangsamte Reaktionen aber keinen vergrößerten Interferenzeffekt. Der zweite Teil des Projekts fokussierte die Frage der Beeinträchtigung in Doppeltätigkeitsaufgaben. Es wurde geprüft, ob so genannte „cross-task“ Kompatibilitätseffekte, also die Beeinflussung der Leistung in der Erstaufgabe durch die Reizpräsentation in einer Zweitaufgabe, auch in Anwendungssituationen wie beim Führen eines Kraftfahrzeugs zu beobachten sind. Dazu wurden den Probanden im Taxifahrer-Szenario zusätzlich akustische Meldungen eines Navigationsgeräts eingespielt. Die Experimente zeigen konsistent, dass eine zur auszuführenden (Ausweich-)Reaktion inkompatible Meldung des Navigationssystems dazu führt, dass die Reaktion auf den Gefahrenreiz signifikant langsamer erfolgt, als wenn diese Meldung kompatibel zur auszuführenden Reaktion ist. Das gleiche Befundmuster wurde auch für ältere Probanden beobachtet, wobei auch hier wieder die üblicherweise zu beobachtende größere Interferenzanfälligkeit älterer Personen ausblieb. Für die Hypothese, dass die größere Expertise der älteren Personen möglicherweise die üblicherweise zu erwartenden Leistungseinbußen kompensiert, konnte in einem ersten Experiment mit Berufskraftfahrer Unterstützung gefunden werden. Insgesamt belegen die Experimente, dass ältere Personen eine deutlich reduzierte Leistung in der untersuchten Fahrsituation zeigen. Im Gegensatz zu Befunden in der Literatur wurden allerdings keine altersabhängigen Interferenzeffekte beobachtet, weder in der einfachen Kompatibilitätssituation noch in der Doppeltätigkeitssituation, was auf kompensatorische Mechanismen hindeutet. Als ein möglicher Kompensationsmechanismus wurde Fahrexpertise im vorliegenden Projekt untersucht.
Publications
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