Project Details
Projekt Print View

Die Rolle der Kommunistischen Partei in der wirtschaftlichen und politischen Transformation Chinas (1992-2004)

Subject Area Political Science
Term from 2005 to 2007
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 13330117
 
Final Report Year 2006

Final Report Abstract

Dieses Forschungsprojekt untersuchte die politischen Voraussetzungen für die – vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit sozialistischen Herrschaftssystemen – außergewöhnliche Innovations- und Anpassungfähigkeit des chinesischen Parteistaates in einem sich rapide wandelnden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, technologischen und internationalen Umfeld. Als Ergebnis der systematischen Auswertung einer Vielzahl neu zugänglicher chinesischer Quellen und Forschungsarbeiten sowie der Durchführung politikfeldbezogener Fallstudien wurde ein neuer Ansatz zum Verständnis der chinesischen Reformpolitik entwickelt, der die zentrale Bedeutung einer experimentierenden Methodik der Politikentwicklung, -implementation und –revision in China herausarbeitet. Im Verlaufe der chinesischen Reform- und Öffnungspolitik ist eine Vielzahl von dezentral durchgeführten Experimentalprogrammen und Pilotprojekten ("Versuchspunkten", shidian) in nationale Reformpolitiken und Gesetze überführt worden. Die wichtigsten reformpolitischen 8 Maßnahmen gingen nahezu ausschließlich aus "dezentralisierten Experimenten unter zentraler Schirmherrschaft" hervor. Die Mechanismen und Voraussetzungen experimenteller Staatstätigkeit in China sind in der bisherigen sozialwissenschaftlichen Forschung nicht systematisch erfasst worden, weil sie sich nicht in Standardmodelle des politischen Prozesses einfügen, die vornehmlich anhand westlicher Verfassungsstaaten entwickelt wurden. Die auf Pilotprogrammen, Modellversuchen und experimentell-befristeter Rechtssetzung beruhende Reformpolitik, die in China seit 1978 betrieben wurde, hat besondere historische Ursprünge und ideologisch-politische Voraussetzungen, die auf die von der Kommunistischen Partei geführten revolutionären "Basisgebiete" der Zeit vor der Gründung der Volksrepublik China (1949) zurückgehen. Unter diesen speziellen Voraussetzungen hat sich in China ein experimentierender Parteistaat entwickelt, in dessen Rahmen dezentrale politische Initiative und Wettbewerb zwischen lokalen Jurisdiktionen stimuliert und legitimiert wird, obwohl konstitutionellen Grundlagen hierfür nicht bestehen. Da es keine politischen oder rechtlichen Schranken für das Eingreifen der Zentralregierung gibt, kommt der Tolerierung, Förderung, Übernahme und Verbreitung lokaler politischer Innovationen durch die Zentralregierung eine Schlüsselfunktion zu. Die Methoden der experimentbasierten Staats- und Reformtätigkeit sind ein Schlüssel zum Verständnis der wirtschaftspolitisch sehr produktiven, aber stets prekären Balance zwischen wirtschaftlicher Dezentralisierung einerseits und politischer Interventionsmacht der Zentralregierung andererseits. Die Methoden experimenteller Politikentwicklung ermöglichten es, umfassende wirtschaftspolitische Innovationen zu fördern, ohne dass daraus resultierende Zentrifugalkräfte das politische System sprengten. Chinas Erfolge in der Reformierung einer sozialistischen Wirtschaft sind aus dieser Perspektive nicht primär auf günstige wirtschaftsstrukturelle Voraussetzungen zurückzuführen (dies ist die Standarderklärung aus neoklassischer ökonomischer Sicht), sondern auf die Nutzung eines besonderen, auf Experimentalprogramme gestützten Repertoires der Politikentwicklung und Politikimplementation, das im Zusammenwirken zwischen dezentraler und zentraler Initiative wirtschaftspolitische Innovationen und institutionelle Anpassungen begünstigte.

 
 

Additional Information

Textvergrößerung und Kontrastanpassung