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Restrukturierung städtischer Sozialpolitik im neoliberalen Zeitalter - gesellschaftliche und sozialräumliche Implikationen

Subject Area Human Geography
Term from 2010 to 2014
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 137113380
 
Final Report Year 2013

Final Report Abstract

Im Zentrum des abgeschlossenen Projekts stand die Untersuchung des städtischen Regierens der Wohnungslosigkeit. Die Untersuchung ging der Frage nach, welche Kontinuitäten und Verschiebungen sich im gegenwärtigen Regieren der Wohnungslosigkeit finden lassen. Theoretisch-konzeptionell orientierte sich die Untersuchung am analytischen Konzept der Gouvemementalität. Über Fallstudien in den Städten Frankfurt am Main und Berlin zeichnete das Projekt nach, wie sich der gegenwärtige politische und sozialarbeiterische Umgang mit Wohnungslosigkeit in einem komplexen Feld veränderter stadfentwicklungspolitscher Dynamiken, neuer SoziaIreformen und lokal gewachsener Kräfteverhältnisse konkret vollzieht. Eine genealogische Rekonstruktion der historischen Entwicklung der Wohnungslosenpolitik und des Hilfesystems diente als Folie, um Kontinuitäten und Veränderungen im politischen und sozialarbeiterischen Umgang mit Woh-nungslosigkeit zu identifizieren. Die in der vorliegenden Arbeit entwickelte Analytik der Gouvernementalität bewegte sich jenseits der etablierten Forschungsperspektiven auf Wohnungslosigkeit in Geographie und Stadtforschung. Entwickelt wurde ein Zugriff, der nicht die marginalisierte Gruppe der Wohnungslosen selbst zum Thema machte, sondern vielmehr das komplexe Netz des städtischen Regierens von Wohnungslosigkeit, das sowohl repressive Ordnungspolitiken als auch fürsorgliche Sozialpolitiken umfasst. Die Untersuchung verschob den Fokus weg von der Analyse von Wohnungslosigkeit als Exklusionsphänomen hin zu den Mechanismen und Formen der Integration von Wohnungslosen in Subsysteme der Versorgung, die auf städtischer Ebene zum Einsatz kommen. Für den deutschen Untersuchungskontext und die beiden Fallstudien Frankfurt am Main und Berlin erwies sich dieser veränderte Fokus als sinnvoll, denn dem Wohnungsloswerden folgt in Deutschland in den meisten Fällen nicht die Straßenobdachlosigkeit, sondern der Eintritt in städtische Unterbringungs- und Versorgungssysteme jenseits der regulären Wohnungsmärkte und damit auch der Eintritt in spezifische gesellschaftliche Räume und soziale Beziehungen, die bislang in der Stadtforschung kaum untersucht wurden. Gerade in Großstädten wie Frankfurt und Berlin sind diese Versorgungssysteme weit ausgebaut und nach unterschiedlichen KJientengruppen differenziert. Anhand der Fallstudien rekonstruierte die Analyse das Regieren der Wohnungslosigkeit in diesen Subsystemen der Versorgung als ein differenziertes Zusammenspiel von Hilfs-, Aktivierungs- und Normalisierungsmaßnahmen. Im Sinne der Gouvernementalitätsperspektive fokussierte die Analyse vor allem auf das Zusammenwirken von Problematisierungen und praktischen Bearbeitungen von Wohnungslosigkeit. Um Kontinuitäten und Verschiebungen in der politischen Bearbeitung von Wohnungslosigkeit identifizieren zu können, rekonstruierte das Projekt zunächst aus genealogischer Perspektive unterschiedliche Problematisierungen von Wohnungslosigkeit und die Entwicklung des auf Wohnungslose ausgerichteten städtischen Hilfesystems. In der genealogischen Perspektive zeigte sich, dass das Feld der Wohnungslosenpolitik und -hilfe durchzogen ist von konkurrierenden Problematisierungen: Einerseits psychologisierende Perspektiven auf den einzelnen Wohnungslosen, die eine pädagogisch-therapeutische Hilfepraxis begünstigen. Andererseits sozialstrukturell argumentierende, wohnungspolitische Erklärungsansätze, die vor allem lokale Wohnungsund Arbeitsmarktentwicklungen als Ursachen von Wohnungslosigkeit problematisieren. Die Analyse der aktuellen Hilfepraxis in den beiden Fallstädten konnte sichtbar machen, dass im Feld der Hilfe die Unterbringung von Wohnungslosen zuletzt wieder an Bedeutung gewonnen hat, da wohnungspolitische Instrumente zur Prävention von Wohnungsverlusten den Akteuren kaum zur Verfügung stehen und Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den regulären Wohnungsmarkt aufgrund der Wohnungsmarktentwicklungen in beiden Städten zusätzlich erschwert werden. Eine Analyse der Hilfepraxis im betreuten Wohnen als einer Form der Unterbringung von Wohnungslosen konnte zeigen, dass mit dem Bedeutungsgewinn der Unterbringung gegenüber präventiven Maßnahmen gegen den Wohnungsverlust und reintegrativen Maßnahmen zur Wiedererlangung von normalem Wohnraum auch eine erneut gestiegene Relevanz individualisierender bzw. psychologisierender Perspektiven auf Wohnungslose zu verzeichnen ist, denn im Kontext der Unterbringung von Wohnungslosen greifen vor allem pädagogische Konzepte, die als Problemlösungsstrategien an der „ Wohnfähigkeit" der Betroffenen ansetzen. Der analytische Fokus auf die Verschränkung von Problematisierungen und räumlichen Praktiken konnte sichtbar machen, dass im Design des betreuten Wohnens ein individualisierender Blick auf den einzelnen Wohnungslosen installiert wird, der dessen Wohnfähigkeit zur Zielscheibe des Regierens macht. Die genealogische Analyse hat gezeigt, dass solche individualisierenden Perspektiven in der Wohnungslosenhilfe alles andere als neu sind, gleichwohl aber unter den aktuellen Bedingungen erneut in den Vordergrund treten. Als aktivierender Imperativ zur Arbeit an der eigenen Selbstführung kann das Konzept der Wohnfähigkeit als Teil einer neoliberalen Rejustierung des Regierens der Wohnungslosigkeit gelesen werden. Marquardt, Nadine: „I'm not there. Modalitäten der Sichtbarmachung von Wohnungslosigkeit." diskus. Frankfurter Student_innen Zeitschrift 61(1), 2012, S. 11-17

Publications

  • „Zelt." In: Marquardt, Nadine und Verena Schreiber (Hg.): „Ortsregister. Ein Glossar zu Räumen der Gegenwart." Bielefeld: transcript, 2012, S. 300-305
    Marquardt, Nadine und Folkers, Andreas
 
 

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