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Bauern, Junker und Beamte. Lokale Herrschaft und Partizipation im Ostelbien des 19. Jahrhunderts

Subject Area Modern and Contemporary History
Term Funded in 2005
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 13840975
 
Die Studie unternimmt einerseits eine Analyse der jeweils lokalen Machtbeziehungen zwischen adligen und bürgerlichen Gutsbesitzern, Bauern und landarmer Bevölkerung zwischen 1830 und 1910. Andererseits richtet sich das Interesse auf die Rolle des Staates für die ländliche Gesellschaft. Es geht um das Ausmaß und die Geschwindigkeiten, in denen der moderne Anstaltsstaat lokale Machtstrukturen und Lebenswelten zu „kolonialisieren" vermochte. Dabei werden drei Entwicklungslinien sichtbar. Deren erste stellte die Erosion jener ständischen Ordnung dar, die auf einem Machtmonopol des Rittergutsbesitzes innerhalb der ländlichen Regionen beruhte. Die ökonomischen, sozialen und mentalen Grundlagen dieser Ordnung waren schon zu Beginn der fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts weitgehend zerfallen; institutionell wurde sie bis zur Kreisordnungsreform von 1872 konserviert. Allerdings stellte die ständische Herrschaftsordnung zum Zeitpunkt ihrer endgültigen Abschaffung 1872 nur noch eine entkernte Fassade dar. Denn in einer zweiten Entwicklungslinie hat die Bürokratie diese für ihre Interessen dysfunktional gewordene Ordnung ab 1850 mit jeweils regional und auf Einzelaspekte limitierten Initiativen ersetzt. Dieser Prozess einer schleichenden, administrativen Substitution mündete auf der Ebene der Kreise und Polizeiverwaltungsbezirke 1872 in die Kreisordnungsreform. Diese eröffnete die Chance, die lokalen Machtbeziehungen im Sinne der sozialen Ausweitung von Partizipationschancen umzugestalten, die Zusammensetzung der lokalen Eliten sowie die Machtverteilung zwischen ihnen und der Bürokratie neu zu justieren. Der hiermit ausgelöste, konfliktreiche Transformationsprozess - die dritte wesentliche Entwicklungslinie - dauerte bis zur Mitte der neunziger Jahre an. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich eine nun wieder stabile Herrschaftsordnung etabliert, die sich trotz ihres Selbstverständnisses und ihrer Außenwahrnehmung als „historisch gewachsen" und „traditionell" von ihrer ständischen Vorgängerin fundamental unterschied: Einerseits waren die Chancen zur Partizipation an der Lokalpolitik zwar bei weitem nicht egalisiert, aber doch sozial beträchtlich ausgeweitet worden. Machtressourcen wurden lokal zunehmend aufgrund von Wahl, Qualifikation und Delegation durch den Staat statt durch Standesprivilegien erworben. Andererseits hatte die Bürokratie in der Mehrzahl der ostelbischen Kreise ein deutliches Übergewicht gegenüber den lokalen Eliten erlangt. Sie übte diesen dominanten Einfluss in der Regel durch kreisfremde Karrierelandräte aus, deren Rolle zwischen lokalen Machteliten und Staat man in der Terminologie der Sozial Wissenschaften als diejenige eines Brokers bezeichnen kann.
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