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Gradient perception of grammaticality: On the Interaction of grammar, frequency of usage and processing complexity

Fachliche Zuordnung Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Förderung Förderung von 2009 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 138976580
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Der intuitiven Bewertung von Sätzen hinsichtlich ihrer Grammatikalität und Akzeptabilität kommt innerhalb der linguistischen Forschung eine zentrale Stellung zu, auch wenn solche Bewertungen zunehmend unter kontrollierten experimentellen Bedingungen erhoben werden und die Bedeutung individueller Urteile einzelner Linguist*innen damit abgenommen hat. Das Projekt “Gradiente Perzeption von Grammatikalität: Zum Zusammenspiel von Grammatik, Gebrauchsfrequenz und Verarbeitungskomplexität” hat untersucht, was unserer gradienten Perzeption von Sätzen als mehr oder weniger wohlgeformt zugrundeliegt und welche Rolle die gradiente Perzeption von Grammatikalität in einem umfassenden Modell der Sprachverarbeitung spielt. Antworten auf diese Fragen sind essentiell für eine fundierte empirische Basis der Linguistik. Die in dem Projekt durchgeführten experimentellen Studien haben zusammen mit Korpusanalysen eine Reihe von Ergebnissen erzielt, die neues Licht auf die Natur gradienter Grammatikalität werfen. Eine der Einsichten, die das Projekt erbracht hat, ist, dass gradiente Grammatikalität weder auf Verarbeitungsfaktoren noch auf Frequenz reduziert werden kann. Was das Verhältnis zwischen gradienten Grammatikalitätsbewertungen und Frequenz betrifft, hat das Projekt weitere Evidenz dafür erbracht, dass die Akzeptabilität eines Satzes keine Funktion seiner Frequenz ist. Dies gilt auch dann, wenn zusätzlich zu den Frequenzen syntaktischer Konstruktionen verbspezifische lexikalische Frequenzen berücksichtigt werden, wie die Untersuchung ditransitiver Verben in unterschiedlichen syntaktischen Kontexten gezeigt hat. Auch unter Berücksichtigung lexikalischer Frequenzen gilt, dass Sätze unabhängig von ihren Frequenzeigenschaften vollständig akzeptabel sein können, während eine verminderte Akzeptabilität mit verminderter Frequenz einhergeht. Letzteres entspricht der klassischen Konzeption von Sprachproduktion, nach der man typischerweise Sätze produziert, die den Regeln der Grammatik entsprechen. Weitere wichtige Ergebnisse des Projekts betreffen die Modellierung der kognitiven Prozesse, die der Beurteilung von Sätzen zugrundeliegen. Die Arbeiten im Projekt haben gezeigt, dass die Auswirkung, die unterschiedliche grammatische Beschränkungen auf die Akzeptabilität von Sätzen haben, einer formal-mathematisch Modellierung zugänglich sind. Verletzt ein Satz mehrere grammatische Beschränkungen, reduziert sich die intuitiv empfundene Akzeptabilität weniger stark als erwartet, wenn die einzelnen Beschränkung unabhängig voneinander wirken wurden. Insbesondere entspricht die Reduktion der Akzeptabilität bei Vorliegen mehrerer Beschränkungsverletzungen nicht der Summe der Reduktion der Akzeptabilität, wenn die Beschränkungen jeweils einzeln verletzt werden. Wie im Projekt gezeigt werden konnte, erlaubt die Wahl einer geeigneten nicht-linearen Funktion trotzdem, die kombinierte Wirkung von Beschränkungsverletzungen präzise vorherzusagen. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass sich die Akzeptabilität von Sätzen mit unterschiedlicher Satzgliedabfolge über Experimente hinweg durch eine gemeinsame Hierarchie gewichteter Beschränkungen erfassen lässt. Die verschiedenen im Projekt erzielten Ergebnisse sind in einem Modell diskreter und gradienter Grammatikalitätsurteile zusammengeflossen. Die zentrale Aussage dieses Modells betrifft die Rolle des kognitiven Akzeptabilitätswert, den man unbewusst und automatisch jedem Satz zuweist. Dieser Wert, der sich aus dem Zusammenspiel von grammatischen Beschränkungen mit Sprachverarbeitungsmechanismen ergibt, liegt unterschiedlichen sprachlichen Tätigkeiten zugrunde - sowohl der normalen Sprachproduktion als auch der Bewertung von Sätzen. Da es sich nicht um ein implementiertes Modell handelt, ist das Modell am besten als eine Art Blaupause zu verstehen, die als Grundlage für zukünftige Forschungen in diesem Bereich dienen kann.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • 2013. How much 'bekommen' is there in the German 'bekommen' passive? In Artemis Alexiadou & Florian Schäfer (eds.), Non-canonical passives, 115–139. Amsterdam: Benjamins
    Bader, Markus & Jana Häussler
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1075/la.205.06bad)
  • 2014. Das Verb 'lassen' im Deutschen: Zum Zusammenspiel von Auxiliarinversion und Ersatzinfinitiv. Zeitschrift für Sprachwissenschaft 33(1). 1–44
    Bader, Markus
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/zfs-2014-0001)
  • 2014. The under-additive effect of multiple constraint violations. Cognitive Processing 15 (Suppl 1). S100–S102
    Ellsiepen, Emilia & Markus Bader
  • 2018. Constraints on argument linearization in German. Glossa: a journal of general linguistics 3(1). 1 – 36
    Ellsiepen, Emilia & Markus Bader
    (Siehe online unter https://doi.org/10.5334/gjgl.258)
  • 2018. Experimentelle Syntax: Eine Fallstudie zur Verbalkomplexbildung im Deutschen. In Eric Fuß & Angelika Wollstein (eds.), Ars Grammatica; Studien zur deutschen Sprache, 31–61. Tübingen: Narr-Verlag
    Bader, Markus & Emilia Ellsiepen
  • 2019. How to get from graded grammaticality to binary decisions. In Sam Featherston, Robin Hornig, Sophie von Wietersheim & Susanne Winkler (eds.), Information structure and semantic processing, 183–207. Berlin: de Gruyter
    Bader, Markus & Jana Häussler
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783110623093-008)
 
 

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