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Halaf- und 'Obed-Zeit in Nordostsyrien am Beispiel von Tell Tawila und Tell Halaf - Entwicklung und Differenzierung

Subject Area Egyptology and Ancient Near Eastern Studies
Term from 2009 to 2011
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 144610743
 
Final Report Year 2012

Final Report Abstract

Ausgangspunkt des Projekts bildete der Vergleich zweier benachbarter Regionen NO-Syriens im 6. und 5. Jt. v. Chr., ihrer Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Für die Region um Tell Chuera wurden dazu die Ausgrabungen in Tell Tawīla sowie dem Wādī Ḥamar-Survey in abschließender Form vorgelegt (Stratigraphie und Architektur, Keramik, Kleinfunde, Subsistenz). Im Unterschied zu den benachbarten Regionen des Balīḫ- und Ḫābūr-Gebiets setzt eine intensive Siedlungstätigkeit im Verlauf der Stufe Ḥalaf Ia ein, reicht bis zum Ende der Stufe Ḥalaf IIa und konnte durch kal. 14C-Daten (ca. 5900–5600 v. Chr.) abgesichert werden. Die Architektur besteht aus den üblichen Rundbauten mit einem Innendurchmesser von 3,5-5,5 m. Von großer Bedeutung ist die Tatsache, dass der Fundort - zusammen mit weiteren Orten der Region - ein frühes Beispiel gemischter Wirtschafts-weise aus Ackerbau und Viehhaltung sowie der Jagd darstellt. Demgegenüber setzt die Besiedlung am Namen gebenden Fundort Tell Ḥalaf, im fruchtbaren Quellgebiet des Ḫābūr, bereits um 6500 v. Chr. zur Stufe "Altmonochrom" ein. Die Neubewertung der Keramik aus den Altgrabungen lässt dabei eine kontinuierliche Entwicklung deutlich werden, die - im Unterschied zu Tell Tawīla und der Wādī Ḥamar-Region - alle Stadien der Ḥalaf-Zeit, inklusive der Stufe Proto-Ḥalaf umfasst. Durch die neuen Ausgrabungen ergeben sich erstmalig Einblicke in die Architektur und in das Siedlungsbild: Eine größere Hauptsiedlung, wahrscheinlich auf einzelnen Kuppen der späteren Zitadelle angeordnet und vermutlich nach Verwandtschaftsgruppen gegliedert, wird dabei von kleineren Weilern im Bereich der späteren, eisenzeitlichen Unterstadt umgeben. Einen breiten Raum nimmt die Beurteilung der Architektur und der Siedlungssysteme ein. Hier kann aufgezeigt werden, wie sich das Untersuchungsgebiet in den allgemeinen Kontext Nord-mesopotamiens im 6. und 5. Jt. v. Chr. einfügt: Insbesondere der Wandel im Siedlungsbild mit Siedlungsverlagerungen, der Wandel von Rundbauten zu rechteckiger Bauweise und das allmähliche Aufkommen des Mittelsaalhauses sind dabei im Rahmen längerer Entwicklungsprozesse zu sehen, die bereits im Verlauf der entwickelten Ḥalaf-Zeit einsetzen. Im Fall der Wādī Ḥamar-Region und Tell Tawīla konnte deutlich gemacht werden, dass während der Ḥalaf-Zeit die Jagd auf Onager eine wichtige Komponente der Subsistenz darstellt und älteren Traditionen folgt. Doch setzt ab der Stufe Ḥalaf IIb (ab ca. 5550 v. Chr.) eine Siedlungsverlagerung in die nördlich gelegenen Gebiete der Tell Chuera-Region ein, die bessere Möglichkeiten für Ackerbau und Viehzucht boten. Der Übergang von der Ḥalaf- zur ‘Obēd-Zeit ist wohl am besten als "Akkultuationsprozess" zu beschreiben: Im Rahmen längerer Entwicklungen und nicht im Sinne einer kurzen Zeitspanne ist er vor dem Hintergrund multi-direktionaler Netzwerke zu sehen, die regional und zeitlich zu unterschiedlichen Ausprägungen und damit asynchronen Veränderungen führen. So wie die Ḥalaf-Kultur über mehrere Jahrhunderte im frühen 6. Jt. v. Chr. als geeignete Lebensform erschien, so adaptierten deren Träger im späten 6. Jt. v. Chr. in regional variierendem Umfang sowie zu unterschiedlichen Zeitpunkten neue Produktions- und Organisationsformen und gaben die mobile Lebensweise auf. Naturwissenschaftliche Untersuchungen ausgewählter Keramiken beider Regionen bezeugen schließlich die lokale Produktion und erlauben sogar einzelne Wādī-Systeme, voneinander abzugrenzen. Die Ergebnisse stehen damit älteren Thesen eines intensiven Austausch keramischer Produkte entgegen und auch einst als Importe der Sāmarrā’-Kultur deklarierte Keramiken aus den Altgrabungen am Tell Ḥalaf sind nunmehr besser als lokale Imitate anzusprechen. Insgesamt wurde durch die Auswertung der archäologischen Untersuchungen damit wichtige Grundlagenarbeit für die Region NO-Syriens im Spätneolithikum und Chalkolithikum geleistet.

Publications

  • A Halafian Ritual Deposit from Tell Tawila. Neo-Lithics 1/13, Berlin 2013, pp. 24–35.
    Jörg Becker, Tobias Helms
  • Tell Halaf – Die prähistorischen Schichten – Neue Einblicke. In: D. Bonatz / L. Martin (Hrsg.) 100 Jahre archäologische Feldforschungen in Nordost-Syrien – eine Bilanz. Internationales Symposium des Inst. für Vorderasiatische Archäologie der FU Berlin und des Vorderasiatischen Museums der Staatl. Museen zu Berlin vom 21. Juli bis 23. Juli 2011 im Pergamonmuseum, Schriften der Max Freiherr von Oppenheim-Stiftung 18. 2013, pp. 45–64.
    Jörg Becker
  • Tell Halaf. New Results on the Late Neolithic Period in Northeastern Syria. In: O. Nieuwenhuyse / R. Bernbeck / P.M.M.G. Akkermans / J. Rogasch (Hrsg.), Interpreting the Late Neolithic of Upper Mesopotamia, PALMA Series 9. 2013, pp. 455–466.
    Jörg Becker
  • Tell Tawīla, Tell Ḥalaf und Wādī Ḥamar: Ḥalaf- und ‘Obēd-Zeit in Nordost-Syrien. Regionale Entwicklungen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Bibliotheca neolithica Asiae meridionalis et occidentalis, ex oriente,Berlin, 2015, 2 volumes, 808 pages, ISBN 978-3-944178-08-0.
    Jörg Becker, Kirsten Drüppel, Markus Helfert
 
 

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