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Militärische Normübertretungen und Kriegsführung im Ersten Weltkrieg. Kriegsgräuel der Mittelmächte an der Ost- und Südfront

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2009 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 149177695
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ausgangspunkt der Forschungen des Projektes war eine doppelte Fragestellung. Zum einen ging es darum, das Thema der Kriegsgräuel im Ersten Weltkrieg an der Ost- und Südfront aus einer quantitativen und quantitativ-vergleichenden Perspektive zu fokussieren und die Art und das Ausmaß der von den kriegsführenden Armeen begangenen Gräuel im Rahmen eines Vergleichs zwischen den einzelnen Kriegsschauplätzen und den Praktiken der entsprechenden (Besatzungs-)Armeen in den Blick zu nehmen. Zum anderen stand in einem weiteren Fragenkomplex die tiefergehende Durchdringung des Themas im Zusammenhang mit qualitativen Forschungsfragen im Mittelpunkt. Wie und warum entstanden überhaupt Kriegsgräuel? Welche strukturellen und situativen Rahmenbedingungen beförderten die Eskalation von Gewalt? Und wie stellte sich die Gewalteskalation aus der Perspektive der Akteure (vor allem der beteiligten Soldaten) dar? Mit Bezug auf das Ausmaß ziviler Opfer und die bewusste Tötung von Zivilpersonen durch das Militär herrschen in der Kriegsgräuelforschung des Ersten Weltkrieges zwei wirkmächtige Thesen vor, die – insbesondere von der angelsächsischen Forschung – vor allem mit Blick auf die so genannten „German atrocities“ in Belgien und Nordfrankreich 1914 formuliert worden sind: Erstens die These, dass die „German atrocities“ (also die Erschießung von rund 6500 belgischen und französischen Zivilpersonen 1914) mit Blick auf die vermeintlich hohe Anzahl von Opfern eine Art Sonderfall in der Gewaltgeschichte des Ersten Weltkrieges darstellen würden. Und zweitens, aus dieser Feststellung direkt abgeleitet, die These, es hätte sich im deutschen Heer aufgrund einer spezifischen erzieherischen und organisationalen Praxis bzw. einer speziellen militärischen Sozialisation, eine besondere „military culture“ herausgebildet, die auch einen spezifischen „way of war“ etablierte – also eine Art von Kriegsführung, die sich von den anderen Armeen unterschieden hätte, und in der gleichsam der Funke der gewaltsamen Radikalisierung schon grundgelegt war. Die neuere Sekundärliteratur und die umfassenden Forschungen im Rahmen des Projektes zeigen allerdings, dass die skizzierten Thesen wohl kaum mehr haltbar sind. Die erwähnten beiden Thesen leiten sich aus der schier exklusiven Betrachtung der Situation an der Westfront und der Fokussierung des Vorgehens des deutschen Heeres ab. Die Ergebnisse der projektbezogenen Forschungen zeigen hingegen, dass die deutschen Greuel an der Westfront eben keinen Sonderfall darstellten, sondern dass die Gangart der kriegsführenden Staaten auch und gerade mit Blick auf die zivilen Opfer insgesamt durchaus vergleichbar erscheint. Die monokausale Fokussierung einer spezifisch gewaltbefördernden deutschen Militärkultur verläuft im armee- und kriegsschauplatzübergreifenden Vergleich letztlich ins Leere. Die Kriegsgräuel im Ersten Weltkrieg weisen in quantitativer Hinsicht ähnliche Dimensionen auf, ganz unabhängig davon, ob es sich nun um die Praxis des deutschen Heeres im Westen, das Vorgehen Österreich-Ungarns in Serbien oder Russisch-Polen oder das Vorgehen der russischen Armee in Ostpreußen oder den besetzten österreichischen Territorien handelt. Im Rahmen eines zweiten Projektteils wurde vor allem der Frage nachgegangen, wie, wann und in welcher Form Kriegsgräuel entstanden und welche spezifischen Bedingungen gewaltforcierend bzw. gewalteinhegend wirken. Auf das Entstehen und die konkrete Gestalt der Gräuel wirkten in unterschiedlicher Intensität situationsimmanente, organisationsimmanente, erfahrungsimmanente und dispositionsimmanente Faktoren ein. Im Rahmen der Forschungen konnte die spezifische Bedeutung der einzelnen Fakoren herausgearbeitet und gezeigt werden, dass es insbesondere situationsimmanente Faktoren waren, die eine große Rolle für den Gewalteskalationsprozess spielten. Ein Großteil der Gräuel lässt sich nicht auf konkrete Anordnungen und wohl auch nicht auf etwaige ideologische Impulse und Motivationen zurückführen. Sie entstehen vorwiegend im Rahmen der militärischen Interaktion in der Auseinandersetzung mit dem Gegner. Der für den Osten und den Balkan so charakteristische Bewegungskrieg war der eigentliche Gewaltort, an dem diese Gräuel, die insbesondere von militärischen Vorhuten und den Spitzen der Besatzungstruppen begangen wurden, verübt wurden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Gender and the First World War. Basingstoke [u.a.] ; Palgrave Macmillan ; 2014 ; XI, 265 S.
    Christa Hämmerle, Oswald Überegger, und Birgitta Bader-Zaar (Hrsg.)
 
 

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