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Ästhetik. Geschichte eines deutsch-französischen Ideentransfers (1740-1810)
Antragsteller
Professor Dr. Gerhard Lauer
Fachliche Zuordnung
Geschichte der Philosophie
Förderung
Förderung von 2009 bis 2014
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 157044435
Ob sie nun aus Deutschland, Frankreich oder den angelsächsischen Ländern stammen: die seit dem 19. Jahrhundert verfassten Geschichten der Ästhetik weisen in den allermeisten Fällen eine gemeinsame Eigenschaft auf: ihre nationale Segmentierung. Die Berührungspunkte zwischen den Bereichen, die Zahnräder, die den Kontakt sicherstellen, befinden sich, wenn sie denn überhaupt erwähnt werden, im Allgemeinen im äußersten Bereich des Forschungsfeldes. Das Ziel des vorliegenden Forschungsprojektes ist es, diese nationalliterarischen Vorstellung der Ästhetikgeschichte kritisch zu hinterfragen und neu zu rekonstruieren. Aufgeworfen wird die bis heute vernachlässigte Frage, wie sich der Austausch der Kunsttheorien des 18. Jahrhunderts zwischen Deutschland und Frankreich vollzieht.Um dieses Ziel zu erreichen, wird sich das vorgestellte Projekt auf zwei Bereiche des Austausches konzentrieren. Es wird sich einerseits historisch mit der Rezeption der deutschen Ästhetik in Frankreich zwischen 1750 und 1810 befassen. Seit dem Erscheinen der Æsthetica von Baumgarten 1750, ist es in den deutschsprachigen Ländern unbestritten, dass sich die Ästhetik als eigenständige Disziplin innerhalb der philosophischen Wissenschaften durchgesetzt hat. Über diesen bemerkenswerten Erfolg darf man allerdings nicht vergessen, was im Nachbarland geschieht. Frankreich, das auf den ersten Blick aufgrund seiner Vertrautheit mit sensualistischen Theorien dazu prädestiniert zu sein schien diese Theorie mit offenen Armen zu empfangen, nimmt nur sehr verhalten die ästhetischen Arbeiten Baumgartens, Mendelssohn, Sulzers oder Kants auf und begegnet dem Begriff der „Ästhetik“ selbst mit heftigem Widerstand. Bevor man also von einer „französischen Ästhetik“ des 18. Jahrhunderts reden kann, wie es heute weit verbreitet ist, scheint es nötig, die komplexe und wechselvolle Geschichte dieses Begriffes in der Kultur der französischen Aufklärung zu erhellen, was uns dazu nötigt, einen Umweg über das Ausland zu nehmen, oder genauer über eine Untersuchung, die die Wege zum Gegenstand hat, die es im 18. Jahrhunderten erlaubt hatten, diesen deutschen Neologismus einzuführen.Diese erste historische Annäherung wird durch eine zweite vervollständigt, die sich im Gegenzug der Rezeption französischer Kunsttheorien zwischen 1750 und 1810 in Deutschland widmet. Zugegeben, die neue deutsche ästhetische Theorie versteht sich seit den 1750er Jahren als eine kritische Alternative zu den früheren Kunsttheorien, verstanden als Poetik mit im wesentlichen - wenn nicht ausschließlich - praktischen Absichten. Eines der Ziele des vorliegenden Projektes besteht darin, diese Darstellung zu hinterfragen, beispielsweise indem die Rezeption der Kunsttheorie von Do Bos und Batteux in Deutschland analysiert wird, bis hin zu ihrem Einfluss auf die Konzepte Baumgartens und seiner Nachfolger. Die ideengeschichtliche Rekonstruktion dieses « Wechseltausches » ist in diesem Projekt auch mit der Untersuchung der sozialen und religiösen Rahmenbedingungen hinterlegt, insbesondere der verschiedenen pietistischen Strömungen in Frankreich und Deutschland. Über diese unterschiedlichen Aspekte des Wechseltausches sollte es die französische Rezeption der deutschen Ästhetik bzw. umgekehrt die deutsche Rezeption der französischen Kunsttheorien ermöglichen, einige der zentralen Mechanismen des kulturellen Transfers besser zu verstehen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Beteiligte Person
Professorin Dr. Elisabeth Décultot