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Edvard Benes und die nationalen Minderheiten in der Tschechoslowakei zwischen Pariser Friedenskonferenz und Münchner Abkommen: Konzeption, Außen- und Innenpolitik

Applicant Dr. René Küpper
Subject Area Modern and Contemporary History
Term from 2009 to 2014
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 163848952
 
Final Report Year 2013

Final Report Abstract

In Fortsetzung der Kooperation des Collegium Carolinum mit dem Masaryk-Institut und Archiv der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, an dem das von der tschechischen Forschungsförderungsagentur finanzierte Editions- und Forschungsprojekt „Edvard Beneš, Deutschland und die Deutschen“ angesiedelt ist, erschien im April 2013 unter dem Titel „Edvard Beneš: Vorbild und Feindbild. Politische, historiographische und mediale Deutungen“ der Tagungsband zu der 2011 in Prag gemeinsam durchgeführten internationalen Konferenz. Wie die Monographie, mit deren Niederschrift nach abschließenden Archivstudien im Jahr 2012 begonnen wurde, soll der Tagungsband zu einer Versachlichung des Beneš-Bildes beitragen. Die Ergebnisse der Monographie, die im Laufe des Jahres 2013 fertiggestellt wird, korrigieren auf breiter Quellenbasis das überwiegend von der Zwangsaussiedlung der Deutschen aus der Tschechoslowakei geprägte Beneš-Bild der Nachkriegszeit. Die „innere“ und „äußere“ Minderheitenpolitik Benešs als Außenminister (1918-1935) und Präsident (1935-1938) wurde durch die innenpolitischen Verhältnisse und Konflikte in der Tschechoslowakei erheblich beeinflusst bzw. beeinträchtigt, wies dabei aber starke Kontinuitäten auf. Für Beneš bedeutete die oft angesprochene „nationale Gerechtigkeit“ die Erfüllung bzw. maßvolle Übererfüllung des durch den Minderheitenschutzvertrag von 1919 und die Verfassung von 1920 gewährten Minimums an individuellen Rechten. Vor dem Völkerbund trat er konsequent für die Erfüllung dieser Verpflichtungen, aber gegen deren Erweiterung ein, solang die entsprechenden Verpflichtungen nicht auf alle Völkerbundsmitglieder ausgedehnt würden. In Anknüpfung an seine soziologischen Vorkriegsstudien erwartete der theoriegeleitet agierende Politiker Beneš von einer umfassenden innerstaatlichen Demokratisierung sowie aufgrund der demographischen Entwicklung eine deutliche Entschärfung der Minderheitenproblematik. Seine Konzessionsbereitschaft erscheint größer als die der meisten anderen führenden tschechischen Politiker, blieb aber im Rahmen der Verfassung: Diese bot den Minderheiten zwar theoretisch alle individuellen Rechte sowie angemessene politische Mitbestimmung aufgrund des Verhältniswahlrechtes, aber keine personelle oder territoriale Autonomie. Innerhalb dieses Rahmens unterstützte Beneš eine Regierungsteilnahme von Politikern aus den Reihen der Minderheiten und vertrat konsequent den „Grundsatz einer vernünftigen, mit zweckmäßigem […] administrativem Regionalismus verbundenen Dezentralization“, wie er 1936 als Präsident in einer programmatischen Rede in Reichenberg (Liberec) ausführte. Er hoffte, auf diese Weise die Minderheitenproblematik zu entpolitisieren und Schritt für Schritt zu lösen. Sein relatives Entgegenkommen war den politischen Vertretern der Minderheiten zu wenig, aber einem großen Teil des tschechischen politischen Spektrums bereits zu viel. Das gilt sogar für Teile seiner eigenen Partei, der Tschechoslowakischen nationalen Sozialisten. In der Presse rivalisierender Parteien wurde jeweils aus der Opposition heraus oft gegen vermeintlich zu große Zugeständnisse gegenüber den nationalen Minderheiten polemisiert. So gelang es Beneš als relativ gemäßigtem Vertreter eines „nationalisierenden Nationalstaates“ (Rogers Brubaker) weder, innenpolitisch die Masse der Minderheitenangehörigen für den neuen Staat zu gewinnen, noch das außenpolitische Verhältnis zu deren „external homelands“ wesentlich zu verbessern. Trotzdem wurde Benešs nur partiell realisierte Minderheitenpolitik nicht nur von Vertretern der jüdischen Minderheit, sondern von den demokratischen Vertretern aller Minderheiten in der Tschechoslowakei keineswegs durchgängig negativ, sondern teilweise überraschend positiv beurteilt.

Publications

  • Edvard Beneš: Vorbild und Feindbild. Politische, historiographische und mediale Deutungen. Göttingen 2013 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 129)
    Ota Konrád/René Küpper (Hg.)
  • Führer des nationalen Widerstandes und „Volksfeind Nr. 1“. Inoffizielle und offizielle Bilder Edvard Benešs im Protektorat Böhmen und Mähren. In: Konrád/Küpper (Hg.): Edvard Beneš, Göttingen 2013, 109-125
    René Küpper
  • Vorbild und Feindbild. Überlegungen zur Perzeptionsgeschichte Edvard Benešs. In: Konrád/Küpper (Hg.): Edvard Beneš, Göttingen 2013, 1-14
    Ota Konrád/René Küpper
 
 

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