Topographie antiker Ehrenstatuen im hellenistischen Osten: Gestaltung und Konstituierung politischer Räume durch öffentliche und private Porträtstandbilder
Final Report Abstract
Die Untersuchungen zur Topographie der Ehren- bzw. Porträtstatuen im Hellenismus haben sehr deutlich ergeben, dass während dieser Epoche im Kerngebiet der griechischen Kultur ein besonders enger Zusammenhang zwischen der Aufstellung der Standbilder und der Verortung der den Auszeichnungen zugrundeliegenden Verdienste bestanden hat. Diese Art assoziativer Sinnstiftung war offenbar entscheidende Voraussetzung für die Legitimation wie für die kommemorative Wirkung der Bildnisse, die den Bürgern der Poleis als Vorbilder dienen sollten. Künftig wird man also von Inschriften auf Statuenbasen, die oft aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen aufgefunden werden, zuverlässiger auf ihren einstigen Aufstellungszusammenhang schließen können. Zudem konnte der Nachweis erbracht werden, dass sich die Verbreitung wie die konkrete Platzierung dieses Mediums bis auf wenige Ausnahmen die längste Zeit nach dem zu erwartenden Publikumsverkehr bzw. Wahrnehmungsradius richtete. Die Beobachtung wechselnder Leitideen im Arrangement der Poträtstatuen bzw. ihrer Postamente erlaubt eine neue Gliederung der Epoche, die nicht nur für die umstrittene stilistische Datierung hellenistischer Plastik Fortschritte bringt, sondern auch ein vertieftes Verständnis der sozialgeschichtlichen Entwicklung griechischer Poleis bzw. des Bürgertums im Hellenismus erlaubt. Es zeichnet sich ein Phasenmodell ab, in dem die individualistische Herausstellung zeitgenössischer Protagonisten im frühen Hellenismus ab dem letzten Drittel des 3. Jhs. v. Chr. durch ein betont einheitliches Auftreten der bürgerlichen Eliten abgelöst wird. Dabei säumen die Statuenbasen, insbesondere solche von Familiengruppen, in einheitlichen Fluchten die Wegstrecken und Schauplätze kollektiver Rituale anlässlich regelmäßig wiederkehrender Feste. Diese Phase ostentativer Hervorhebung klassischer Polisideale endet etwa um die Wende vom 2. zum 1. Jh. v. Chr., als man wieder zu einem deutlich differenzierteren Formenspektrum statuarischer Ehren übergeht. An die prominente Stelle hellenistischer Herrscher, höfischer Würdenträger und hochrangiger Militärs treten nun allerdings römische Statthalter und einzelne bürgerliche Honoratioren. Zur Inszenierung der Porträts wierden in dieser Zeit vorzugsweise exklusive Standorte gewählt, mitunter sogar in eigens dafür hergerichteten architektonischen Rahmen bzw. Innenräumen. Nicht selten gewinnen die Statuen dabei als maximal gesteigerten Ausdruck der Ehrung den Charakter von Kultbildern, gelegentlich sogar in nachweislicher Verbindung mit regelmäßigen Opfern. Folgen dieses Wunsches nach Exklusivität bei gleichzeitiger Zunahme der Bildnisehrungen sind das Vordringen von Porträts in neue Kontexte wie Vereinshäuser oder Kultstätten mit eingeschränktem Besucherverkehr bzw. die Multiplikation von Bildnissen an vielen verschiedenen Stätten mit je eigenem Publikum. Legitimation und Kommunikation der Ehrungen werden dabei zunehmend dem kollektiven Erlebnis des Demos / des Koinon entzogen und stattdessen zum Gegenstand von einzelnen Interessenverbänden unterhalb und jenseits der Polisebene. Überraschendes Ergebnis der kritischen Materialsichtung ist die Häufigkeit von (mehrfachen) Wiederverwendungen und Umsetzungen von Denkmälern angesichts deren allgemeinen Anspruchs auf Dauerhaftigkeit. In nicht wenigen Fällen hat sich herausgestellt, dass die Monumente bzw. ihre Standorte von der Forschung zu Unrecht als Zeugnisse authentischer Ausgangssituationen eingestuft wurden.