Zeitaufgelöste Spektroskopie zur ultraschnellen Interkombination in organischen Molekülen
Final Report Abstract
Es ist seit langem bekannt, dass Triplettzustände großen Einfluss auf die Photoreaktivität bzw. –stabilität von organischen Molekülen haben. In neuerer Zeit sind sie auch im Zusammenhang mit der Effizienzsteigerung der (organischen) Photovoltaik und organischer Leuchtdioden (OLED) von großem Interesse. Triplettzustände werden nach Photoabsorption durch einen nicht-strahlenden Prozess (Interkombination, ISC) bevölkert. Die Kinetik solcher ISC-Prozesse stand im Zentrum des Projekts. Das Projekt fiel zusammen mit der Etablierung der Arbeitsgruppe des Antragstellers an der HHU Düsseldorf. Daher wurden auch apparative Arbeiten wie der Aufbau eines Fluoresenzspektrographens für den Femtosekundenbereich und die Wiederinbetriebnahme einer Laser-Blitzlicht-Photolyse-Anlage geleistet. Mit dem Fluoreszenzspektrographen können nun schnelle ISC-Kinetiken im Detail aufgelöst werden. Die Photolyse-Anlage hilft bei der spektroskopischen Identifikation von Triplettzuständen. Ein Schwerpunkt des Projekts waren ISC-Prozesse des Moleküls Thioxanthon (TX). TX ist ein Prototyp für aromatische Carbonylverbindungen, die für schnelle ISC-Prozesse bekannt sind. Die Carbonylgruppe findet sich zudem in vielen wichtigen organischen Verbindung bzw. Naturstoffen. Wir untersuchten TX in verschiedenen Lösungsmitteln mittels Femtosekunden-Fluoreszenz- und Absorptionsspektroskopie. In die Interpretation der Ergebnisse flossen quantenchemische Ergebnisse von Christel Marians Gruppe ein. Aus den experimentellen und quantenchemischen Daten folgt, dass TX in unpolaren Lösungsmitteln nach optischer Anregung in den 1ππ*-Zustand innerhalb von ~ 400 fs in den 1nπ*-Zustand übergeht. Der primäre Prozess ist also eine innere Konversion. Danach kommt es mit einer Zeitkonstante von ~ 4 ps zur Interkombination, wodurch der tiefste Triplettzustand bevölkert wird. In sehr guter Übereinstimmung liefert die quantenchemische Berechnung einen Wert von ~ 6 ps. Im polar aprotischen Lösungsmittel Acetonitril verändert sich die Photophysik von TX deutlich. Man beobachtet nun Prozesse mit Zeitkonstanten von 3 und 60 ps. Diese ordnen wir weiterhin IC- und ISC-Prozessen zu. Das Lösungsmittel Acetonitril hebt den 1nπ*- Zustand gegenüber der apolaren Situation an und sorgt dadurch für eine kleine Barriere und damit einen langsameren IC-Prozess. In polar protischen Lösungsmitteln wie Methanol sind die Prozesse weiter verlangsamt (Zeitkonstanten 5 ps und 2,4 ns). Aus quantenchemischen Berechnungen und Experimenten mit Triplettlöschern folgt, dass nun ISC der primäre Prozess ist. Bei diesem wird ein 3nπ*-Zustand bevölkert. Danach kommt es zu einem IC-Prozess in den tiefsten Triplettzustand. Die Experimente zeigen außerdem, dass es innerhalb von 5 ps zu einer Gleichgewichtseinstellung zwischen dem 1ππ*- und dem 3nπ*-Zustand kommt. Aus Experiment und Quantenchemie folgt ein sehr kleiner energetischer Abstand (0,01 eV) dieser Zustände. Wegen dieses Abstandes verhält sich angeregtes TX in Methanol „chimärenhaft“ – es weist simultan Eigenschaften von Triplett- und Singulettzuständen auf. Eine weitere Substanzklasse, die im Hinblick auf schnelles ISC untersucht wurde, sind die Pyrimidinone. Diese spielen bei der Photoschädigung von DNA eine wichtige Rolle. Sie tragen ebenfalls eine Carbonylgruppe. Unsere Messungen zeigten, dass auch hier ISC-Prozesse stark vom Lösungsmittel abhängen. Eine detaillierte quantenchemische Modellierung der Prozesse steht noch aus. In einer ausführlichen Studie konnten wir zudem zeigen, dass der Triplettzustand von Pyrimidinonen von Kohlenhydraten Wasserstoffatome abspalten kann – dies könnte zur Schädigung der DNA beitragen. Auf interessante ISC-Prozesse stießen wir auch in Untersuchungen zum Elektrontransfer in neuartigen Donor-Akzeptor-Systemen für die organische Photovoltaik sowie bei der Dimerisierung von Thyminbasen in der DNA. In dem Projekt konnten durch umfangreiche Messungen und quantenchemische Berechnungen (Gruppe Marian) ein quantitatives Verständnis von ISC-Prozessen in einer wichtigen Modellverbindung erzielt werden. Dies gibt die Hoffnung, dass sich in Zukunft die Parameter dieser Prozesse in silico bestimmen lassen und damit ein wichtiger Aspekt der Photochemie organischer Verbindungen vorhersagbar wird.
Publications
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