Historisch-kritische Neuedition der Tagebücher Friedrich Hebbels im Rahmen der neuen 'Wesselburener Ausgabe'
Final Report Abstract
Hebbels Tagebücher liegen nun erstmals geschlossen in wissenschaftlicher Qualität vor. Die Neuedition präsentiert das Manuskript unter Einschluss aller Marginalien, Einlagen, Fremdtexte, Korrekturen und Überarbeitungen, in der ursprünglichen Anordnung der Notate und mit neuer, systematisierter Zählung. Ergänzt werden die sechs Tagebuch-Konvolute durch die tagebuchähnlichen Collectaneen, die Hebbel zwischen 1861 und 1863 parallel führte, und die sogenannte Letzte Brieftasche von 1863, das einzige erhaltene Exemplar der handlichen Notizbücher, wie er bei sich hatte, um mit Bleistift Reisestationen, Gedanken oder Dialogfetzen zu skizzieren, die er mit Tinte ins Tagebuch nachtrug. Die vorliegende Ausgabe vereint damit alles vorhandene Material. Die editionsphilosophische Präsentation entschied sich bewusst für eine Form der integrativen Darstellung, da zu eng begriffene Editionen heute weder ökonomisch noch kulturpolitisch vertretbar sind. Ziel der Edition war es, Formen und Phasen des Schreibens derart graphisch darzustellen, dass sie im Leseakt wahrgenommen werden können. Sichtbar wird so das Manuskript, an dem der Diarist über die Jahrzehnte seines Lebens schrieb. In der Differenziertheit des Schriftbilds erscheint eine Dynamik des Schreibprozesses, mit der das Tagebuch seine Spontaneität und Experimentalität zurückgewinnt. In den Spuren des Ausprobierens und Umformulierens finden sich die Attitüden des Schreibens; die Variation des Schriftbilds zeichnet die Emphase der Gestaltung, die vitale Rhythmik in der Positionierung von Wörtern, Zeilen, Versen, Linien und Figuren nach. Indem sie den Text rauer, widerständiger und damit fern jeder tradierten Geschlossenheit zeigt, lädt die Edition zu einer neuen, zeitgemäßen Entdeckung der Tagebücher ein. Damit wird sich das Image des Autors in der öffentlichen Wahrnehmung grundlegend ändern. Zu erwarten ist eine Renaissance Hebbels in der Wissenschaft wie in den Medien, deren Interesse durch die begleitende Biographie der Herausgeberin (Friedrich Hebbel: Der Individualist und seine Epoche, 2018) forciert werden dürfte – ein Buch, auf das wir, wie Jürgen Kaube zum Jubiläumsjahr in der FAZ schrieb, „seit über hundert Jahren warten“. Mit wesentlichen Synergieeffekten dürften Edition und Biographie sowohl der interdisziplinären Forschung wie Kultur und Theater des In- und Auslands entscheidende Impulse liefern.
Publications
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Tagebücher. Neue historisch-kritische Ausgabe. Band 1: Text. Band 2: Kommentar und Apparat. Berlin, Bosten: De Gruyter 2017
Monika Ritzer (Hg.); Friedrich Hebbel
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Friedrich Hebbel. Der Individualist und seine Epoche. Biographie. (700 S.) Göttingen: Wallstein 2018
Monika Ritzer