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Jugendliche in Begegnungsreisen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern - eine empirische Rekonstruktion ihrer Orientierungen zu Weltgesellschaft und Globalisierung in einem pädagogischen Lernarrangement

Fachliche Zuordnung Allgemeine und Historische Erziehungswissenschaft
Förderung Förderung von 2010 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 166813881
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Welches Verständnis zeigen Jugendliche, die über die Begegnungsreise Formen der Globalisierung über ein von der eigenen Herkunft differierendes Wirtschafts- und Kulturleben kennenlernen konnten, bezüglich der Globalisierung? Gibt es Unterschiede zwischen der Nord- und der Süd-Perspektive, d.h. zwischen der Perspektive von Jugendlichen, die aus einer reichen Gesellschaft kommen, im Vergleich zu jenen, die aus ärmeren Ländern kommen, die Globalisierung wahrnehmen? Untersucht wurden Mitglieder deutscher Gruppen, die Bolivien bzw. Ruanda kennengelernt haben (Nord-Perspektive), Mitglieder von Gruppen aus Ruanda und Bolivien, die an einer Reise nach Deutschland teilgenommen haben (Süd-Perspektive). Ein halbes bis zwei Jahre nach der Reise wurden mit den Gruppen in ihrem Heimatland und in ihrer Mutter- bzw. Verkehrssprache Gruppendiskussionen durchgeführt und diese nach der dokumentarischen Methode ausgewertet. Im empirischen Material ließen sich drei Formen der Reduktion weltgesellschaftlicher Differenz rekonstruieren. Überwiegend in schulischen Reisegruppen zeigte sich die Haltung der „Nahraum-orientierten Hierarchisierer“, die jeweils den Alltag verglichen und Differenzen in der Wahrnehmung überwiegend in Unter- und Überlegenheitsgefühlen auflösten. Die Gruppen dieses Modus verzeichneten in der Regel keine Veränderung ihres Weltbildes, ließen also keine Lernfortschritte erkennen. Dieser Befund stellt die Effizienz schulischer Begegnungsreisen über starke ökonomische und kulturelle Differenzen hinweg in Frage und macht deutlich, dass diese Reisen in besonderem Maße pädagogisch reflektiert begleitet werden müssen. Gruppen aus überwiegend international agierenden Organisationen mit universellem Anspruch (z.B. Katholische Kirche, Fußballvereine etc.) erlebten die Reise als Anstoß zur Gemeinschaftsbildung über die Reisenden und Begegneten hinweg. Sie identifizierten sich mit den jeweils anderen und waren fähig, Eindrücke, Einschätzungen, Wahrnehmungen der anderen in ihre eigene Perspektive zu integrieren und damit das, was sie erlebt hatten, in unterschiedlichen Kontexten zu reaktivieren. Weltgesellschaftliches Lernen oder Lernen über die Globalisierung zeigten nur Gruppen, die aus internationalen Verbänden mit hohen Partizipationsmöglichkeiten reisten. Diese reflektieren die Erfahrungen der Reise als Ausdruck weltgesellschaftlicher Differenzen und abstrahierten diese auf gesellschaftliche Strukturen. Die Befunde zeigen, dass Begegnungsreisen nicht per se Lernen induzieren und die pädagogische Rahmung, die Organisationsformen bzw. Partizipationsmöglichkeiten das Lernen unmittelbar beeinflussen. Vor diesem Hintergrund lassen sich Umrisse einer Bildungstheorie weltgesellschaftlichen Lernens formulieren und zahlreiche praxisbezogene Hinweise für die Durchführung derartiger Reisen geben.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2011): Zwischen Paternalismus und Lernen – Austausch und Begegnung als weltgesellschaftliche Lernfelder, in: Sander, W./Scheunpflug, A. (Hrsg.): Politische Bildung in der Weltgesellschaft. Herausforderungen, Positionen, Kontroversen. Bundeszentrale für politische Bildung: Bonn, S. 293-306
    Krogull, S.
  • (2012): Bildungsreisen als Lernmöglichkeiten. In: Klemm, U./Lang- Wojtasik, G. (Hrsg.): Handlexikon Globales Lernen. Klemm & Oelschläger: Münster und Ulm, S. 33-36
    Krogull, S.
  • (2013): Citizenship-Education durch internationale Begegnungen im Nord-Süd-Kontext? Empirische Befunde zu Begegnungsreisen in Deutschland, Ruanda und Bolivien. In: Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 33. Jg., H.3, S. 231-248
    Krogull, S./Scheunpflug, A.
  • (2013): „Organisation“ als Kategorie des Lernens über Globalisierung in Begegnungen im Nord-Süd-Kontext, in: Göhlich et al. (Hrsg.): Organisation und kulturelle Differenz. Diversity, Interkulturelle Öffnung, Internationalisierung. Springer VS: Wiesbaden, S. 239-251
    Krogull, S./Scheunpflug, A.
 
 

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