Subscriptions and correspondences as principles of scientific publishing In the 18th century (exemplified at Stephan Alexander Würdtwein)
Final Report Abstract
Die Würdigung von Person und Werk des bedeutenden Urkundenforschers und Wormser Weihbischofs Stephan Alexander Würdtwein (1722–1796) tritt in vorliegendem Projekt hinter der exemplarischen Aufhellung seiner konkreten Publikationsstrategien zurück. Fokussiert wurden hierfür nicht nur die ca. 70 tatsächlich erfolgten Publikationseinheiten Würdtweins, sondern auch seine zahlreichen unveröffentlicht gebliebenen Manuskripte, seine Materialsammlungen, Konzepte, Ideen und Themenvorschäge auch für andere Forscher und Kollegen, seine Kooperationsansätze, seine Ankündigungen, nicht eingelöste Versprechen und steckengebliebene oder verworfene Projekte, seine vielfältigen Planungsänderungen hinsichtlich Konzeption, Umfang und Selbständigkeit so mancher Arbeit oder auch der eine oder andere inhaltliche Um- und Abweg. Hierfür sind die Briefwechsel Würdtweins, deren (bevorstehende) kommentierte Edition eines der Projektziele war, die wichtigste Quellengattung. 706 Briefe wurden gefunden und ausgewertet. – Würdtweins wissenschaftliches Arbeiten blieb zeitlebens sehr stark durch seine Suche nach sich auftuenden Publikationsmöglichkeiten bestimmt. Im Idealfalle hätte er dabei einen Verleger gefunden, die Wirklichkeit sah jedoch anders aus: Würdtweins Verlagslösungen waren aufs Ganze gesehen äußerst heterogen; er litt an den Moden und Programmpräferenzen der Buchhändler und Verleger. Er attestierte ihnen Profitgier, mangelnde Seriosität, haderte mit Zeitgeist, Romanliteratur und Lesewut und wäre persönlich am liebsten völlig unbeschwert von all den Nöten und Überlegungen geblieben, wie er es immer und immer wieder neu bewerkstelligen sollte, daß seine Arbeiten gedruckt, verteilt, gelesen und besprochen werden und dadurch wirken können. Dabei war Würdtwein ein planvoller, fleißiger und vernünftiger Mann, ein Wissenschaftler mit Prinzipien. Er wollte ganz für seine Arbeiten leben und sich nicht damit plagen müssen, daß oder ob sie und wie sie überhaupt zum Druck gelangen könnten. – Doch dies ist mutatis mutandis die Crux wissenschaftlichen Publizierens durch alle Zeitläufte hindurch, heute so aktuell wie vor zweihundertfünfzig Jahren. Interessant sind daher Lösungsansätze und Strategien, die vielleicht ein überzeitliches Eignungspotential besitzen oder zumindest unseren Blick schärfen können. Das Internet beispielsweise ist bei differenzierender und vergleichender Betrachtung wohl genauso wenig der Schlüssel zur Lösung aller mit den Optionen wissenschaftlichen Publizierens verbundenen Probleme für uns Heutige, wie es damals andere Instrumente waren, etwa Selbstverlags-Experimente oder Finanzierungs- und Vertriebs-Alternativen wie die Subskriptionen und Pränumerationen etc. Für Würdtwein waren seine durch Briefwechsel gepflegten Kontakte jedenfalls eine funktionale und unabdingbare Voraussetzung für sein wissenschaftliches Arbeiten und Publizieren. Sein Wissenschaftlerethos (dem z. B. Gediegenheit vor Schnelligkeit einer Edition ging) verriet er selbst, wenn er befürchtete, eine Publikationsgelegenheit verpassen zu können, und sein im Alter – als sein Ruf gefestigt war und er selbst dessen fundamentale Beschädigung wohl glaubte nicht mehr fürchten zu müssen – erfolgter Prinzipienwechsel (nach dem es angeblich auf einmal wichtiger sein sollte, ein wissenschaftliches Thema auf einem Sockelniveau neuer Erkenntnisse zunächst einmal schnell der Fachwelt vorzustellen, um dann unter Einbeziehung kollegialer Ergänzungen, Kritik und Korrekturen eine „echte und gültige zweite Auflage“ herausbringen zu können), mutet geradezu weltfremd an. Diese Kritik gilt wohlgemerkt nicht der Methodik Würdtweins als Wissenschaftler, sondern seinen Strategien im Umgang mit den Herausforderungen des wissenschaftlichen Publizierens. Ob die von Würdtwein gefundenen Antworten hierbei symptomatisch nur für ihn persönlich oder für Gelehrte geistlichen Standes der Germania sacra oder generell für publikationsfreudige Geisteswissenschaftler des Aufklärungszeitalters oder gar überzeitlich sind, müssen vergleichende Studien ähnlichen Zuschnitts erweisen. Wichtig ist zunächst einmal, daß nicht mehr nur vordergründig-positivistisch das Oeuvre eines Wissenschaftlers um seiner inhaltlichen Bedeutung und Wirkmächtigkeit willen im Zentrum des Interesses steht, sondern die konkreten Publikationsbedingungen und Strategien der Verfasser. Gerade die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts ist aus buchhandelshistorischer Sicht für derlei Überlegungen eine ideale Reibefläche, und Stephan Alexander Würdtwein erwies sich als dankbare und geeignete Exemplifizierung für einen derartigen Perspektivenwechsel.
Publications
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Patronage und Loyalität. Stephan Alexander Würdtwein und die Grafen von Ostein. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der gräflich-osteinschen Familienbibliothek. In: Mainzer Zeitschrift 106–107. Mainz 2011, S. 53–130
Pelgen, Franz Stephan
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Stephan Alexander Würdtwein (1722–1796) in der Mainzer Martinus-Bibliothek. In: Bibliotheca S. Martini Moguntina. Alte Bücher – Neue Funde. Mainz & Würzburg 2012, S. 279–310
Pelgen, Franz Stephan
