Pluralität und Wahrheitsansprüche der Religionen bei Hegel, Schleiermacher und Schelling
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Unterschied zur Philosophischen Theologie vorkantischen Typs befasst sich die Religionsphilosophie Schleiermachers, Hegels und Schellings nicht mit dem Göttlichen an sich selbst, sondern mit den Weisen, in denen sich das Göttliche im und für das menschliche Bewusstsein darstellt. Dieser Unterschied im untersuchten Gegenstandsbereich ist für die drei Klassiker kein gleichgültiger, keine bloße Verschiedenheit. Denn weil sie zwischen dem Göttlichen und seiner Präsenz im Bewussstsein eine wesentliche immanente Beziehung erkennen, muss eine Philosophische Theologie ihre Selbstisolation vom menschlichen Bewusstsein mit schwerwiegenden strukturellen Mängeln bezahlen. Schleiermacher, Hegel und Schelling verstehen die Pluralität der Religionen als intrinsischen Zug dessen, was Religion ihrem Wesen nach ist. Die Differenzierung der Religion in verschiedene Religionsformen und einzelne Religionen ist in ihren Augen deshalb keine bloße Funktion der wechselnden äußeren Umstände, unter denen Religion auftritt. Diese gemeinsame Annahme wird von den drei Klassikern freilich in unterschiedlicher Weise entwickelt. In der religionstheoretischen Debatte der Gegenwart werden üblicherweise vier mögliche Antworten auf die Frage unterschieden, wie die Wahrheitsansprüche der Religionen und ihr Verhältnis einzuschätzen sind: der Naturalismus, Exklusivismus, Inklusivismus und Pluralismus. Bezogen auf diese Einteilung vertreten Schleiermacher, Hegel und Schelling eine Form des Inklusivismus, der im Unterschied zum Naturalismus und Exklusivismus in vielen oder allen Religionen Momente der Wahrheit findet, im Unterschied zum Pluralismus aber nur in einer Religion die volle Wahrheit. Ihr Inklusivismus ist dabei nicht Ergebnis des zweifelhaften Verfahrens, das die Wahrheit einer Religion voraussetzt und zum Maßstab für die Bewertung der anderen erhebt. Vielmehr werden alle Religionen an ihrem eigenen Maßstab gemessen, an dem Kriterium nämlich, inwieweit sie dem Wesen der Religion gerecht werden, das in ihnen erscheint. Der Aufsatz von Friedrich Hermanni „Kritischer Inklusivismus. Hegels Begriff der Religion und seine Theorie der Religionen“ (NZSTR 55/2, 2013) wurde in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 17. Juli 2013, Seite N 4, unter dem Titel „Hegels Religionen. Ungleichheiten und Toleranz als Potentiale“ sehr freundlich besprochen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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„Kritischer Inklusivismus. Hegels Begriff der Religion und seine The¬orie der Religionen“, Neue Zeitschrift für Systematische Theologie und Religionsphilosophie 55/2 (2013), 136-160
Hermanni, Friedrich
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„Zur Logik der Formen bestimmter Religion in Hegels Manuskript zur Religionsphilosophie von 1821“, Neue Zeitschrift für Systematische Theologie und Religionsphilosophie 55/4 (2013), 407-436
Schick, Friedrike
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Religion und Religionen im deutschen Idealismus. Schleiermacher – Hegel – Schelling, Tübingen: Mohr Siebeck 2015 IX, 592 Seiten
Hermanni, Friedrich/Burkhard Nonnenmacher/Friedrike Schick (Hgg.)
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„Religion ist ‚Sinn und Geschmak fürs Unendliche‘. Schleiermachers Bestimmung der Religion in den Reden Über die Religion (1799) mit einem Blick auf Hölderlin“, Hölderlin-Jahrbuch 39 (2014/15), 22-43
Schick, Friedrike
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Unendlich gebildet. Schleiermachers kritischer Religionsbegriff und seine inklusivistische Religionstheologie anhand der Erstauflage der "Reden". Tübingen Mohr Siebeck, 2016. XIV, 492 Seiten
König [Geb. Steiner], Christian
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„Identität und Unterschied als Reflexionsbestimmungen des Wesens“, S. 61-80, in: A. Arndt/G. Kruck (Hgg.), Hegels Lehre von Wesen, Berlin/Boston: De Gruyter 2016 (Hegel-Jahrbuch Sonderband 8). - 978-3-11-047456-5
Schick, Friedrike