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"Übergriffe" und "Objekte": Bilder und Diskurse kindlich-jugendlicher Sexualität.

Fachliche Zuordnung Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Förderung Förderung von 2010 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 181861418
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Forschungsprojekt untersucht sein Thema anhand derzeitiger westlich-kultureller Repräsentationen in Kunst und Medien. Dabei erscheinen gerade ‚infantil-triebhafte‘ Dimensionen – verstanden im Sinne dessen, was am Sexuellen desintegrierend wirkt – kulturell abgewehrt. Um dem kulturell Konflikthaften in den Bildern und Diskursen auf die Spur kommen, richtet sich die Untersuchung gerade auch auf die verstörenden, überschießenden Aspekte der beforschten Materialien. Dabei haben sich folgende zugrundeliegende Widersprüche zwischen explizit und implizit Ausgesagtem gezeigt: 1. Der stern-Artikel „Voll Porno!“ (2007), der sich mit der sogen. ‚sexuellen Verwahrlosung‘ von Kindern und Jugendlichen befasst, kreist um eine Lust an der Grenzüberschreitung. Diese wird zwar zwecks Distinktion den (‚Unterschichts‘-)anderen zugeschrieben, erweist sich aber als dazugehörige Kehrseite der dargebotenen Ablehnung von Sexualität als Pornografie. 2. Anhand zweier Publikationen im Bereich des ‚Aufdeckungsjournalismus‘ zum Thema Pädophilie bzw. Kinderpornografie (Haide 2003; Karremann 2007) wird das Bestreben deutlich, sich das ‚verabscheute‘ pädophile Begehren vom Leib zu halten, und ebenso die Brüchigkeit dieser Abwehr, die die Bücher mit in Szene setzen und ohne die sie nicht funktionieren. 3. Sally Manns Fotografie „Venus After School“ (1992) führt eine westlich-kulturell mit dem Bild des Kindes verbundene Widersprüchlichkeit vor. In Szene gesetzt scheint die Frage, ob ein ‚infantiles‘ Sexuelles bzw. erotische Dimensionen im Blick des Erwachsenen auf das Kind – gerade in Zeiten von dessen Vorstellung als asexuell-unschuldig – ‚repräsentierbar‘ sind. 4. Für die untersuchten Britney Spears-Produktionen aus deren ersten Karrierejahren stellt sich heraus: Kulturell durchaus brisante Phänomene (wie eine Erotisierung von Unschuld) werden offensiv angereizt und durch parallel geschaffene Gegengewichte zugleich ‚normalisiert‘, ‚geglättet‘ bzw. in ihrer Bedeutung überspielt; Verleugnungsstrukturen werden vorgeführt. 5. In Tracey Emins „Why I Never Became a Dancer“ (1995) und „Top Spot“ (2004) wird der Ort, von dem aus das gezeigte – durchaus beschämende – Geschehen betrachtet wird, jeweils in die Bilderfolgen eingeführt. So dass der Betrachtende die eigene Position und die mit ihr verbundenen ‚schamlosen‘ Lüste nicht unbehelligt genießen kann. Insgesamt wird durch die herausgearbeitete Konflikthaftigkeit der Materialien einer eindeutigen Kulturausrichtung widersprochen. Dabei variiert die Art der Vorführung kultureller Anordnungen in ihrer Spannung erheblich. Dies gilt ebenso für die jeweiligen Umgangsweisen mit dem Konflikthaften bzw. für die ‚Sprache‘, die die abgewehrten Tendenzen in den Materialien finden, wie auch für die Rezeptions-Gewinne oder -Lüste. Dadurch sind mit den künstlerisch-medialen Produktionen auch verschiedene gesellschaftspolitische Eingriffe in die aktuellen kulturellen Konstellationen verbunden. – Mit einem Ausblick anlässlich der Videoarbeit „Who‘s listening?“ von Tseng Yu-Chin (2003-2004) wird am Ende noch einmal die Frage nach der eigenen (notwendigen) ‚Verstricktheit‘ der Studie mit ihren ‚Objekten‘ aufgeworfen. Durch die Fokussierung auf Konflikthaftigkeit, Abwehr und Wiederkehr in dieser Studie werden schließlich auch Analysedimensionen für die Untersuchung kultureller Produktionen gewonnen, durch die z.B. begreiflich werden kann, wie die Art des Aussagens mit der expliziten Aussage – z.B. in der Abgrenzung von Missbrauch oder Pädophilie – potentiell nicht übereinstimmt und sich daraus deren kulturelle Wirkung ergibt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • „Der Trieb als Übersetzungsfehler? Vom Einbrechen des Sexuellen“. In: Martin Heinze, Joachim Loch-Falge, Sabine Offe (Hg.): Übersetzungen. Verstehen und Missverstehen in Psychiatrie und Kulturtheorie. Berlin: Parodos Verlag 2011, 43-60
    Insa Härtel:
  • „Wenn nun aber das ‚Objekt’ zu sprechen anfinge?“ Methodische Annäherungen“. In: texte. Psychoanalyse, Ästhetik, Kulturkritik, H. 4/2012, 22-38
    Insa Härtel
  • „Schamlos ausgestellt? Arbeiten Tracey Emins“. In: Zeitschrift für Sexualforschung 1/2013, 1-18
    Insa Härtel
  • „‘Not a girl‘. Wunder der Unschuld“. In: Karl-Josef Pazzini, Andrea Sabisch, Daniel Tyradellis: Das Unverfügbare. Wunder, Wissen, Bildung. Zürich, Berlin: diaphanes 2013, 119-130
    Insa Härtel
 
 

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