Der Wert der Menschenwürde - Eine philosophische Erklärung im Ausgang von moralischen Emotionen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die begriffstheoretischen Analyse von Würde und Menschenwürde hat ergeben: Es gibt zwei Haupt-Tendenzen, den ambivalenten Begriff der Menschenwürde zu verstehen und zu verwenden. Die eine ist den Phänomenen, die wir alltagssprachlich mit dem einfachen Ausdruck „Würde" meinen, näher verwandt. Die andere ist vielmehr Ergebnis einer theoretisch-philosophischen Stipulation in Kategorien, die weniger nah an unseren (phänomenologischen) Erfahrungen sind und statt dessen besser in Theorien der Handlung, der Werte und der Person passen. Diese Beobachtung kann genauer mit Hilfe der Kategorien von „dicken" und „dünnen" ethischen Begriffen analysiert werden, da der einfache Begriff „Würde" auf diese verschiedenen Weisen venwendet wird: Einmal als dichte Zustandsbeschreibung, und einmal als reine positive Wertcharakterisierung. Darüber lassen sich auch die verschiedenen Konzeptionen von Menschenwürde erklären: Einerseits wird der Begriff eingesetzt zur Bezeichnung von etwas, das es zu erreichen, wiederherzustellen oder zu bewahren gilt, also als ein Ziel von moralischen Handlungen; andererseits wird damit auf etwas Unveränderbares verwiesen, das in angemessener Weise beachtet bzw. grundsätzlich geachtet werden soll. Die Erläuterung von Menschenwürde als Wert enthält folgende Elemente: Für eine angemessene Erläuterung von Werten überhaupt und für eine neue, erhellende Sicht auf den Wert der Menschenwürde insbesondere, ist es wichtig, eine zentrale These des Neo-Sentimentalismus zu beachten: „Wert hat oder ist etwas, was Gegenstand von angemessenen Emotionen sein kann." Diese Einsicht (in den Zusammenhang zwischen Werten und bestimmten Emotionen, wie etwa das Beschämende und die Scham) verbinde ich mit einer anderen, die erste jüngst in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt ist, nämlich dass das Phänomen der emotionalen Verletzlichkeit bezüglich allem, was einem wertvoll ist, auch für Werttheorien fruchtbar gemacht werden muss. Beide Momente können so verstanden werden, dass sie nicht nur Reaktionen auf die Wahrnehmung von Wertvollen sind, sondern das Wertvolle selbst erst konstituieren. Das ist als eine Position zwischen naivem Realismus und reinem Emotivismus gedacht, nämlich als eine Art von perzeptiven Projektionismus. Für die Erläuterung des Werts von Personen in diesem Sinn sind zum einen die moralischen Emotionen (oder die von Peter Strawson einmal „reaktiven Einstellungen" genannten) wie Schuld, Empörung, Groll und deren positive Entsprechungen entscheidend, zum anderen aber auch das Mitgefühl mit der Demütigung anderer. Hintergrund für die favorisierte Werttheorie ist ein metaethischer Konstruktivismus: Ein entscheidender Dreh für die angedeutete Werttheorie besteht darin, dass als grundlegendes Phänomen nicht Werte gesehen werden, die selbständig exisiterten, sondern die menschliche Fähigkeit, etwas wertvoll zu finden, beziehungsweise (in einem noch grundlegenderen Ausdruck, der offen für verschiedene Interpretationen ist, überhaupt zu werten. Um so eine Theorie von „antwortabhängigen" Werten überzeugend zu vertreten, muss man einen meteethischen Konstruktivismus zugrunde legen, der die Wahrheit normativer wie evaluativer Einstellungen grundsätzlich nicht in der Übereinstimmung mit bestimmten Tatsachen sieht, sondern in ihrer Einordnung in ein kohärentes holistisches System von Einstellungen einer Person - die sich freilich in einer Gemeinschaft zu erklären hat.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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„Rechte und Interessen. Ein Philosoph fragt: Ist das Prinzip der Menschenwürde zu retten?'. Zeitungsartikel zu Gesang, Bernward: Kann man die Achtung der Menschenwürde als Prinzip der normativen Ethik retten? Zeitschrift für philosophische Forschung 4/2010. In: Süddeutsche Zeitung vom 23. Februar 2011, S. 14
Eva Weber-Guskar
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„Status oder Wert? Zum Begriff der Menschenwürde". Proceedings des XXII. Deutschen Kongresses für Philosophie. Sektion: Theoretische Ethik. 2011
Eva Weber-Guskar