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In-situ Dehnungsmessung bei der Zerspanung mit geometrisch bestimmter Schneide

Fachliche Zuordnung Spanende und abtragende Fertigungstechnik
Förderung Förderung von 2010 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 185778203
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Rahmen des durchgeführten Forschungsprojektes wurde die Methode der in-situ Röntgenbeugung mit hochenergetischer Synchrotron-Röntgenstrahlung erstmals genutzt, um eine umfassende Untersuchung der Spanbildung während orthogonaler Zerspanexperimente vorzunehmen. Aus den Diffraktionsdaten wurden sowohl Informationen über die mikrostrukturelle Entwicklung in Form von lokalen Mikrodehnungen, Domänengrößen, Stapelfehlerwahrscheinlichkeiten und Vorzugsorientierungen sowie über die örtlich aufgelösten Spannungszustände in der Spanbildungszone gewonnen. Für den Werkstückwerkstoff Stahl C45E mit krz-Struktur, und die Aluminiumlegierung EN AW-2017 A mit kfz-Struktur, erfolgte anhand der Variation der Spanungsdicke, des Spanwinkels und des Schneidkantenradius eine Untersuchung des Einflusses verschiedener Spanparameter. Anhand der Messinglegierungen CuZn10, CuZn37, CuZn40 und CuZn40Pb2 wurde der Einfluss der Stapelfehlerenergie sowie der Zweiphasigkeit für verschiedene Spanwinkel untersucht. Während der Spanbildung finden eine deutliche Abnahme der Domänengrößen und eine Zunahme der Mikrodehnungen statt, wodurch eine Materialverfestigung belegt wird. Mit kleinerer Spanungsdicke, kleinerem Schneidkantenradius und größerem Spanwinkel treten sowohl stärkere Gradienten der Spannungen als auch der mikrostrukturellen Parameter auf. Hierdurch wird deutlich der Zusammenhang zwischen der mikrostrukturellen Entwicklung und den auftretenden Spannungszuständen herausgestellt. Der Spanwinkel hat einen deutlichen Einfluss auf die maximalen Spannungen, wobei geringe Spanwinkel in größeren Spannungen resultieren. Die experimentell ermittelten Spannungen konnten erfolgreich genutzt werden, um die Scherwinkelbeziehung von OPITZ und HUCKS zu überprüfen und zu erweitern. Die Überprüfung zeigte, dass die Annahme eines ungehinderten Spanabflusses auf der Spanfläche nicht gerechtfertigt ist. Erst die Erweiterung der Beziehung um die Normalspannung σ22 in Richtung des abfließenden Spanes ergab eine gute Übereinstimmung zwischen dem anhand der Spanwurzeln bestimmten Scherwinkel und dem anhand der erweiterten Beziehung berechneten Scherwinkel. Die Analyse der Aufbauschneiden zeigt eine weitere Abnahme der Domänengrößen sowie eine Zunahme der Mikrodehnungen, wodurch eine Materialverfestigung innerhalb der Aufbauschneiden belegt wurde. Die Verfestigung resultiert in einem Anstieg der Vergleichsspannungen und der hydrostatischen Anteile, welche vermutlich die Bildung der Aufbauschneide unterstützen. Zum ersten Mal wurde die Verfestigung innerhalb der Aufbauschneide experimentell quantifiziert. So wurde ermittelt, dass die Fließgrenze der Aluminiumlegierung EN AW-2017 A von kf ≈ 400 MPa auf mindestens kf ≈ 600 MPa ansteigt. Anhand der Spannungszustände und der mikrostrukturellen Entwicklung können deutlich zwei Arten von Aufbauschneiden unterschieden werden. Aufbauschneiden auf der Spanfläche zeigen eine stärkere Verfestigung und einen stärkeren Anstieg der Vergleichsspannungen, wohingegen Aufbauschneiden auf den Schneidkantenrundungen bei großen Radien eine weniger starke Verfestigung zeigen. Die Bildung der Aufbauschneide resultiert daher primär aus den hydrostatischen Spannungen an der Schneidkante. Die Integration der Aufbauschneide in das Simulationsmodell konnte den Einfluss der Aufbauschneide auf den Spanbildungsvorgang aufzeigen. Dabei konnte festgestellt werden, dass die Aufbauschneide bei Werkzeugen mit größeren Kantenradien zu einem Verhalten führt, das vergleichbar ist mit schärferen Werkzeugen und positivem Spanwinkel. Neue Erkenntnisse konnten über den Spannungszustand während der Spanbildung zweiphasiger Werkstoffe gewonnen werden. Die harte β-Phase der zweiphasigen Messinglegierung CuZn40 nimmt einen großen Teil der Spannungen auf, wodurch eine Entlastung der weicheren α-Phase eintritt, so dass diese geringere Spannungen zeigt als die einphasigen α-Messinglegierungen. Die Behinderung des Fließ- und Schervorganges der α-Phase durch die härtere β-Phase resultiert in einem Komprimieren und Abgleiten einzelner Spansegmente anstelle des gleichmäßigen Abscherens einzelner Lamellen. Die Trennung der Segmente wird durch Zugspannungen der Spannungskomponenten σ11, σ22 und des hydrostatischen Anteils σm innerhalb des Spanes verdeutlicht. Es zeigte sich, dass einfache FEM-Berechnungen, welche ausschließlich die mechanischen Eigenschaften des Ausgangsmaterials in dem Materialmodell beinhalten, die Spanbildung nicht vollständig korrekt abbilden. Durch die Integration der Materialverfestigung in das Simulationsmodell konnten die experimentellen Ergebnisse in bessere Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Simulation gebracht werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • In situ strain measurement in the chip formation zone during orthogonal cutting of steel C45E. ICRS 9, 7. - 9. Oktober 2012, Garmisch- Partenkirchen, Deutschland
    Brömmelhoff, K., Gerstenberger, R., Henze, S., Fischer, T., Schell, N., Uhlmann, E. & Reimers, W.
  • An extended shear angle model derived from in situ strain measurements during orthogonal cutting. Production Engineering, 7(4), 2013, S. 401 - 408
    Uhlmann, E.; Henze, S.; Gerstenberger, R.; Brömmelhoff K.; Reimers, W.; Fischer, T.; Schell, N.
  • Space resolved microstructural characteristics in the chip formation zone of orthogonal cut C45E steel samples characterized by diffraction experiments. Journal of Materials Processing Technology 213 (2013) 12, S. 2211 - 2216
    Brömmelhoff, K.; Henze, S.; Gerstenberger, R.; Fischer, T.; Schell, N.; Uhlmann, E.; Reimers, W.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.jmatprotec.2013.06.016)
  • Stresses during orthogonal cutting of Aluminium Al2017 samples analysed by in situ diffraction. THERMEC 2013, 2.-6. Dezember 2013, Las Vegas, USA
    Brömmelhoff, K., Henze, S., Gerstenberger, R., Fischer, T., Schell, N., Uhlmann, E. & Reimers, W.
  • In situ high energy X-ray diffraction for analyzing the local stress distribution and microstructure in the chip formation zone during orthogonal cutting of steel C45E. Symposium der AGMM auf der DPG-Frühjahrstagung, 30. März - 4. April 2014, Dresden, Deutschland
    Brömmelhoff, K., Henze, S., Gerstenberger, R., Fischer, T., Schell, N., Uhlmann, E. & Reimers, W.
  • Stress distribution in the chip formation zone of fcc materials Al2017 and alpha brass analysed by in situ diffraction. ECRS 9, 7.-10.Juli 2014, Troyes, Frankreich
    Brömmelhoff, K., Henze, S., Gerstenberger, R., Fischer, T., Schell, N., Uhlmann, E. & Reimers, W.
  • Influence of the Built-up Edge on the Stress State in the Chip Formation Zone During Orthogonal Cutting of AISI1045. Procedia CIRP 31, 2015, S. 310 - 315
    Uhlmann, E.; Henze, S.; Brömmelhoff, K.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.procir.2015.03.101)
  • Stress distribution in the chip formation zone of brass alloys with different zinc contents analysed by in situ diffraction. MECASENS 2015, 30. September - 2. Oktober 2015, Grenoble, Frankreich
    Brömmelhoff, K., Henze, S., Seyfert, C., Fischer, T., Schell, N., Uhlmann, E., & Reimers, W.
 
 

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