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Politisches Agenda-Building in Zeiten eines hybriden Mediensystems - ein Vergleich zwischen Ländern und Themen

Fachliche Zuordnung Publizistik und Kommunikationswissenschaft
Förderung Förderung von 2011 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 155794648
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Unser Projekt war von der Annahme geleitet, dass das Internet besonders für zivilgesellschaftliche Gruppen und politische Außenseiter, deren Stimme im üblichen Politikbetrieb kaum gehört wird, besondere Chancen und demokratische Potenziale entfalten kann. Um herauszufinden, unter welchen Bedingungen Inhalte aus dem Internet von den Massenmedien aufgegriffen werden und auf die politische Tagesordnung gelangen, haben wir analysiert, wie zivilgesellschaftliche Akteure (soziale Bewegungen, Nicht-Regierungsorganisationen oder einzelne Blogger) sich vernetzten, welche Themen und Positionen dabei lanciert werden und welche Themen, Frames und Positionen zugleich die Massenmedien- und die Politikagenda bestimmen. Die Entwicklung von Themen, Frames und Positionen in den Politikfeldern Klimawandel und Lebensmittelsicherheit haben wir im Internet, in den Massenmedien und der Politik in vier Ländern (Deutschland, Schweiz, USA und Großbritannien) in einer longitudinalen Perspektive untersucht. Mit Hilfe von Hyperlinkanalysen analysierten wir die Vernetzung und Koalitionsbildung zivilgesellschaftlicher Akteure. Die Inhalte, die in den Online-Netzwerken, den Massenmedien und der Politik diskutiert wurden, erhoben wir mit Hilfe manueller und automatisierter Verfahren der Inhaltsanalyse (Topic Modeling, Named Entity Recognition und Klassifikator- Entwicklung). Die vorliegenden Daten erlauben es, Netzwerk- und Inhaltsdaten zusammenzuspielen, fortgeschrittene Verfahren der Netzwerkanalyse anzuwenden (z. B. ERGMs) und Agenden miteinander zu vergleichen bzw. deren gegenseitig Einfluss zu analysieren. Die Ergebnisse unserer Analysen weisen darauf hin, dass erstens Länderunterschiede auch im Online-Zeitalter im Agenda-building Prozess von Bedeutung sind. Nationale Kontexte und Konstellationen prägen die verschiedenen Agenden. Dies ist jedoch nicht damit zu verwechseln, dass wir national abgeschottete Debatten fänden. Vielmehr variiert der Grad der Transnationalität zwischen den Ländern: so finden wir beispielweise in der Schweiz ein stark transnationales Netzwerk im Bereich des Klimawandels, dessen Polarisierung fast ausschliesslich auf angelsächsische Akteure zurückzuführen ist. Zweitens konnten wir zeigen, dass Kommunikation im Internet, in traditionellen Medien und in der Politik keine voneinander getrennten Welten sind. Im Gegenteil: es gibt einerseits Allianzen bzw. gegenseitige Bezugnahmen verschiedener Akteure aus Zivilgesellschaft, Politik und klassischen Massenmedien. Geteilte Bedingungen von Kommunikation lassen sich bspw. auch daran ablesen, dass sich zivilgesellschaftliche Akteure im Themenfeld Klimawandel in ihrer Online-Kommunikation ähnlich stark an den Selektionskriterien der Massenmedien orientieren (Nachrichtenfaktoren) wie die Massenmedien selbst. Interessanterweise konnten wir trotz der Vernetzung der verschiedenen Akteure im Online-Bereich substanzielle Unterschiede zwischen den erhobenen Agenden ausmachen. Beispielsweise zeigt sich, dass Klimawandelskeptiker das konnektive Potenzial des Internets besser nutzen als diejenigen, die vor den Gefahren des Klimawandels warnen und stark auf den politischen Agenden beheimatet sind. Drittens zeigen unsere Analysen auf, dass Hyperlinks Konflikte konturieren und sich Lagerbildungen ausmachen lassen und dabei verschiedene Medientypen unterschiedliche Funktionen einnehmen: so scheinen Blogs eine Scharnierfunktion zwischen zivilgesellschaftlichen Gruppen und den Medien einzunehmen wohingegen letztere eine eher passive Rolle im Netz spielen. Im Laufe des Projekts hat uns überrascht, wie schwierig es ist, themenspezifische Debatten einzugrenzen und dazugehörige Netzwerke im Internet zu identifizieren und zu erfassen. Neben den inhaltlichen Fragestellungen rückten deshalb grundlegende Probleme der Internetforschung in den Fokus unseres Projekts – so zum Beispiel die Stichprobenbildung aus Netzwerken, die Erfassung der Dynamik von Inhalten, die Bereinigung von Daten, die Speicherung und Archivierung derselben in Datenbanksystemen und die Anwendung von automatisierten Verfahren der Inhaltsanalyse für kommunikationswissenschaftliche Fragestellungen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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