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Darmstadt Events. The Darmstadt International Summer Courses for New Music from 1964 to 1994 as a space of aesthetic, theoretical and political action

Subject Area Musicology
Term from 2010 to 2022
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 190266605
 
Final Report Year 2022

Final Report Abstract

Als bevorzugter Treffpunkt der musikalischen Avantgarden bieten die Internationalen Ferienkurse für Neue Musik Darmstadt reichhaltiges Material für ein historiographisches Verständnis der komplexen Entwicklungen der 1960er bis 1990er Jahre. Das Projekt “Ereignis Darmstadt” hat sich nicht nur eine bisher wenig erforschte Periode der Ferienkurse vorgenommen, sondern damit überdies die Reflexion der Medialität der Quellenbasis verbunden: Die Darmstädter Ferienkurse zeichneten sich früh aus durch die Interaktion von Theorie, aktueller kompositorischer Praxis und Aufführung neuester Musik. Das Ereignishafte dieses Prozesses, d.h. nicht nur der Aufführungen, sondern auch dieser Eingemeindung der Theorie als einer Praktik des Reflektierens über aktuelle Musik in unmittelbarer Verbindung mit ihrer Produktion, sicherte die Zeitgenossenschaft und war Signum der Ferienkurse. Seit den späten 1960er Jahren waren deshalb nicht nur Konzerte, sondern bald nahezu flächendeckend auch Vorträge und Diskussionen durch Tonband- und später Videomitschnitte dokumentiert worden. Diese Mitschnitte und die durch sie repräsentierte Überlieferungsstrategie der Ferienkurse selbst sollten nun die zentrale Perspektive für eine Darstellung der Ferienkursgeschichte liefern. Eine solche Vorgehensweise zielt nicht in erster Linie auf eine Systematisierung und Bewertung ästhetischer oder kompositionstechnischer Standpunkte ab. Vielmehr werden die vielfältigen, nicht selten unübersichtlich genannten Entwicklungen vor allem über den Diskussions- und Handlungsraum „Darmstadt“ in einen Zusammenhang gebracht. Damit können auch die bis heute die Darstellungen prägenden Kontextquellen (etwa auch der journalistischen Debatten) quellenkritisch neu gelesen werden. Die bereits seit längerem problematisierte dogmatische Entgegenstellung von Erzählung und Darstellung, die die Debatte um die Polarisierung von Ereignis- und Strukturgeschichte trug, bricht angesichts einer solchen Quellensituation auf, indem sie den Übergang vom Erzählen zum Darstellen in den Quellen selbst beobachtbar machen kann. Die vielfältigen, nicht selten unübersichtlich erscheinenden ästhetischen Entwürfe werden aus der Perspektive des Diskussions- und Handlungsraums „Darmstadt” in einen Zusammenhang gebracht, der sich über die große Zahl der im Archiv der Ferienkurse vorhandenen Audioquellen erschließt. Diese überliefern mündliche Debatten und lassen die publizierten Texte als davon zu unterscheidende mediale Ebene hervortreten. Das schärft den Blick auf die Medialität der Quellen und ihren Zusammenhang mit diskursiven Funktionen, rückt die Aufmerksamkeit vom Was auf das Wie. Erst vor diesem Hintergrund wird die wirkmächtige Repräsentationsfunktion der Publikationen analysierbar, die Prozesshaftigkeit der Verständigung auch über Begriffsbildungen sichtbar, und es treten zugleich die Figuren hervor, die die Debatten gestalten. Zu den bemerkenswerten Erkenntnissen, die diese Perspektivierung ermöglichte, gehören neben einem veränderten Bild der ästhetischen und kompositionsgeschichtlichen Entwicklungen der 1960er bis frühen 1990er Jahre die Bedeutung einer breiter gefassten institutionellen Landschaft für die Positionierung der Ferienkurse sowie die implizite wie explizite Präsenz und die Wandlungen vergangenheitspolitischer Argumente für die Begründung einer Avantgarde (hier greift eine Interaktion mit dem DFG-Projektpaket “Kontinuitäten und Brüche im Musikleben der Nachkriegszeit”), die sich – jedenfalls aus der Sicht Friedlich Hommels – schließlich nicht mehr in der Identifikation fortgeschrittener Standpunkte, sondern in der Ermöglichung produktiver Debatten zeigt.

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