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GRK 1767:  Factual and Fictional Narration

Subject Area Literary Studies
Term from 2012 to 2021
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 190376163
 
Final Report Year 2022

Final Report Abstract

Das Graduiertenkolleg hat in seiner neunjährigen Förderlaufzeit das Zusammenspiel von faktualem und fiktionalem Erzählen untersucht, zwei Kategorien, deren Hauptunterscheidungsmerkmal traditionell ihr Wahrheitsanspruch ist. Der Neuansatz des GRK bestand zunächst darin, das Konzept von Faktualität und Fiktionalität nicht mehr nur als dualistischen Gegensatz zu begreifen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung konzentrierte sich daher nicht nur auf jeweils eine der beiden Kategorien. Stattdessen wurden Faktualität und Fiktionalität als sich gegenseitig bedingende, überlagernde und in funktionaler Beziehung zueinanderstehende Texteigenschaften in den Blick genommen. In einem zweiten Schritt wurde die geläufige Ausrichtung der Narratologie auf primär fiktionale Werke durch eine Konzentration auf faktuale Texte und faktuale Elemente in fiktionalen Texten erweitert. So konnte die vor allem in den Sprach- und Literaturwissenschaften entwickelte Erzählforschung zum einen auch für die Analyse faktualer Texte nutzbar gemacht werden; zum anderen konnten der Narratologie durch die Erprobung ihres Modells an bisher wenig untersuchten Phänomenen und Perspektiven wesentliche neue Impulse gegeben werden. Dazu hat entscheidend auch der gezielte Einbezug anderer, fachfremder Disziplinen wie beispielsweise der Rechts-, Wirtschafts- und Erziehungswissenschaften, der Psychotherapieforschung und allgemein der Psychologie, der Ethnologie, der Theaterwissenschaft und des mündlichen Erzählens sowie der Politik-, Geschichts- und Medienkulturwissenschaft beigetragen, aus dem sich eine vielgestaltige Interdisziplinarität ergab. In der ersten Förderphase lag der Fokus auf den Übereinstimmungen, Überschneidungen und Unterschieden von Faktualität und Fiktionalität. Im Zentrum stand dabei die Diskussion von Definitionen, Abgrenzungsmöglichkeiten und Kontextualisierungen der Faktualitäts-/Fiktionalitätsunterscheidung. Eines der wesentlichen Ergebnisse der Forschungen ist, dass es sich bei den Konzepten Faktualität und Fiktionalität um Zuschreibungen handelt, die auf Praktiken geteilter Konventionen und Regeln beruhen. Durch bestimmte Signale oder Marker lenken sie den Rezeptionsprozess. Faktualität und Fiktionalität lassen sich zwar mehr oder weniger voneinander abgrenzen, können allerdings auf der Ebene der Erzählverfahren verschwimmen und ineinander übergehen. Das wird besonders im Zusammenhang mit neueren Massenmedien deutlich, die häufig die beiden Kategorien unterlaufen oder spielerisch mit der gesetzten Differenz umgehen, um diese Grenze absichtlich zu verwischen. Faktuales und fiktionales Erzählen stellen dementsprechend zwei Idealformen von Erzählweisen und Erzählintentionen dar, die sich in der Praxis überlagern und diverse Mischformen sowie Hybridisierungen ausbilden. Da es sich bei den Kategorien Faktualität und Fiktionalität um regelgeleitete Zuschreibungen handelt, stellt die Frage nach der Wahrheit des Erzählten nicht mehr das Hauptkriterium der Unterscheidung dar. Nach Ansicht der am Kolleg beteiligten Wissenschaftler*innen sind vielmehr das kulturelle und gesellschaftliche Umfeld, der jeweilige Kontext und die historischen Bezugsrahmen bzw. Bedingungen ausschlaggebend, in denen sich die Unterscheidung zwischen Faktualität und Fiktionalität über Konventionen ausbildet bzw. ausgehandelt wird. Daher wurden in der zweiten Förderphase verstärkt der geschichtliche Wandel, medienspezifische Erzählstrategien und kulturvergleichende bzw. interkulturelle Phänomene untersucht. So konnten erzählspezifische Charakteristika faktualen und fiktionalen Erzählens aufgedeckt und beschreibbar gemacht werden, und es hat sich gezeigt, dass je unterschiedliche historische Gegebenheiten bzw. Verständnishorizonte und mediale Formen diverse Praktiken faktualen und fiktionalen Erzählens produzieren. Die Aktualität der Forschung des Kollegs wird durch Arbeiten zu fake news, #metoo-Hashtags und Verschwörungstheorien unterstrichen. Nach der ersten sehr erfolgreichen Bewilligungsphase, in der die Dissertationen sehr zügig abgegeben wurden und alle Kollegiat*innen danach eine Anstellung fanden, hat sich in der zweiten Phase das Tempo der Promotionsabschlüsse durch zahlreiche Schwangerschaften und Elternzeiten bzw. durch Krankheiten, begleitende Berufstätigkeit und die von der Pandemie verursachten Probleme (Reisebeschränkungen mit Verschiebung von Interviews oder Archivaufenthalten, Bibliothekssperrungen, psychische Probleme) verlangsamt. Dennoch blickt das Kolleg auf eine sehr erfolgreiche und produktive Zeit zurück, in der nicht nur Dissertationen entstanden, sondern auch zahlreiche Tagungsbände, die aus von den Kollegiat*innen eigenständig organisierten Veranstaltungen hervorgingen.

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