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Die Rahmentexte des Deuteronomiums und die Genese des Pentateuchs

Fachliche Zuordnung Evangelische Theologie
Förderung Förderung von 2010 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 190630171
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Angesichts der immer noch ausgesprochen vielstimmigen Forschungslage im Bereich der Pentateuchkritik hat sich die Konzentration auf Rahmentexte des Deuteronomiums mit ausgeprägten Parallelüberlieferungen zum Tetrateuch zweifellos bewährt. Die in der nicht-priesterlichen Erzählüberlieferung des Pentateuchs nahezu nur hier gegebene Möglichkeit einer vergleichenden Untersuchung separat vorgegebener ‚Texteinheiten‘ vermag die ansonsten weitgehend gegenstandsimmanente diachrone Analyse ein Stück weit zu öffnen. Das Projekt hat sich bewusst darauf konzentriert und einige grundlegende Gegebenheiten profiliert, die für die weitere Pentateuchdiskussion von tragender Bedeutung sein dürften. Folgende Analyseergebnisse dürften von besonderer Signifikanz sein: Eine fundamentale Differenz zwischen den erzählenden Texten in Dtn 1-3; 5; 9-10 und der Überlieferung in Exodus und Numeri besteht in der expliziten Gestaltung der dtn Erzählungen als autodiegetische Rekapitulationen in einer Moserede unter Einschluss der Angesprochenen („Wir-Erzählung“). Ausweislich ihrer narrativen Suffizienz sind sie auf einen literarisch eigenständigen Zusammenhang hin formuliert; ausweislich der alttestamentlich nahezu singulären Verselbständigung der Erzählungsstruktur gegenüber der Handlungsfabel im Interesse argumentativ-diskursiver Skopoi setzen die Rekapitulationen eine Kenntnis der zugrundeliegenden linearen Plots bei den Adressaten bereits voraus. Das Profil der dtn Einleitungsreden als Eröffnung eines literarisch eigenständigen Textes und ihre substanzielle Ausrichtung auf deuteronomistische Überlieferungen in Josua und Könige stützen entscheidend M. Noths Grundannahme eines exilischen deuteronomistischen Geschichtswerks („DtrG“). – Die in Dtn (1-3;) 5; 9-10 bereits vorausgesetzten ‚Vorlagen‘ sind – ausweislich signifikanter Affinitäten – im nicht-priesterlichen Tetrateuch zu finden, wobei die Analysen auf einen komplexen Prozess inter- bzw. intratextueller Abhängigkeiten mit drei diachronen Hauptphasen führen: (1) Die vor-dtr Sinaiperikope mit den Plot-Elementen: Theophanie am Berg (Ex 19*), Kundgabe eines (Proto-) Dekalogs, Übermittlung des „Bundesbuchs“ an Mose (*20-24), Dekalog-Tafeln, Abfall mit dem Stierbild, Moses Fürbitte (32*), Erneuerung von Tafeln und Gottesbeziehung (34*) als Teil einer umfassenderen „Mose-Exodus-Erzählung“ (cf. Dtn 1,19-46 etc.); 7. Jh. v.Chr., Juda. Als älterer ‚Baustein‘ zeichnet sich darin eine eigenständige (nordisraelitische?) Bundesbuch-Ätiologie ohne Dekalog und ohne 20,19-21a ab. (2) Die in und für das exilische DtrG frei gestalteten Horeb-Rekapitulationen auf der Basis von (1), mit ausgearbeitetem Dekalog (ohne Bilderverbot) und dem Gesetz anstelle des Bundesbuchs (Dtn 5), Bundesbruch, Fürbitte Moses (9) und Neuanfang (10*). (3) Die Transformation der Sinaiüberlieferung in Aufnahme und Weiterführung des DtrG mit der Höhenlinie einer Einsetzung Israels in ein allgemeines Priestertum und eine analogielose Gottesunmittelbarkeit (Ex 19,3- 8; 24,3-8.9-11), mit dem anschließenden Sündenfall (32*) und einer anhaltenden Dramatik der Interzessio (32,7-12; 33*; 34*), in der Moses Gottesunmittelbarkeit anstelle derjenigen des Volkes tritt, manifestiert im prophetischen Begegnungszelt, in dem JHWH mit Mose „von Angesicht zu Angesicht“ spricht: Ex 33,7-11; 34*; Nu 11; 12; Dtn 31,14-15.23; 34,10. Wie letztere Belege, insbes. der ‚Mose-Epitaph‘ Dtn 34,10(-12), zeigen, wurde mit dieser Komposition („KD“) das Deuteronomium nun zum Schlussbaustein eines übergreifenden Tora-Zusammenhangs, der so etwas wie einen Proto-Pentateuch bildete. Entgegen einer verbreiteten Sicht sprechen gewichtige Argumente für eine literarische Verortung dieser Linie vor der P-Komposition des Pentateuchs.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Das exilische deuteronomistische Geschichtswerk, in: H.-J. Stipp (Hg.), Das deuteronomistische Geschichtswerk, ÖBS 39, Franfurt/M. 2011, 269-295
    Erhard Blum
  • The Decalogue and the Composition of the Pentateuch, in: T.B. Dozeman, K. Schmid & B.J. Schwartz (eds.), The Pentateuch. International Perspectives on Current Research, FAT 78, Tübingen 2011, 289-301
    Erhard Blum
  • Der historische Mose und die Frühgeschichte Israels, Hebrew Bible and Ancient Israel 1, 2012, 37-63. (2012b)
    Erhard Blum
  • Überlegungen zur Kompositionsgeschichte des Josuabuches, in: Ed Noort (ed.), The Book of Joshua, BEThL 250, Leuven 2012, 137-157
    Erhard Blum
  • Von Angesicht zu Angesicht : Ouvertüre am Horeb : Deuteronomium 5 und 9-10 und die Textgestalt ihrer Folie. Zürich : TVZ, 2018. 469 S.
    Hendrik Stoppel
    (Siehe online unter https://doi.org/10.15496/PUBLIKATION-24589)
 
 

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