Freilanduntersuchungen der Süßwasserfauna, insbesondere der Süßwassermilben (Acari: Hydrachnidia), Madagaskars
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Auf Madagaskar wurden in drei Schwerpunktgebieten Erhebungen der Süßwasserfauna durchgeführt: Naturpark Montagne d'Ambre (Prov. Antsiranana), Nationalpark Andringitra (Prov. Fianarantsoa) und Südöstliche Regenwälder (Prov. Fianarantsoa – Einzugsgebiet Ionilahy). Hauptgegenstand der siebenwöchigen Sammelreise waren Wassermilben und von diesen parasitierte Insekten; andere Tiergruppen, die sich mit ähnlicher Methodik erfassen lassen, wurden ebenfalls berücksichtigt, vor allem Coleoptera, Heteroptera und Amphipoda. Die gesamte Ausbeute wurde in konzentriertem unvergälltem Ethanol fixiert und ist somit für molekulargenetische Untersuchungen geeignet. Der Bericht gibt einen vorläufigen Überblick über das gesammelte Material, von dem einzelne Bestandteile bereits an verschiedene internationale Spezialisten weitergeleitet wurden. Die logistischen Erfordernisse und Einschränkungen werden beschrieben, auch vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Situation. Im Rahmen der Freilandarbeit wurden Fachkräfte in Sammeltechniken und Grundlagen der Sortierung wirbelloser Großgruppen eingearbeitet. Ein Projekt für eine längerfristige Zusammenarbeit zwischen den Universitäten Tübingen und Antananarivo ist in Vorbereitung. Das gesammelte Material ist ein wichtiger Mosaikstein in der Dokumentation der madagassischen Süßwasserfauna. Hervorzuheben ist das Wassermilbenmaterial aus dem zuvor in dieser Hinsicht unbekannten Nationalpark Andringitra, sowie aus bisher kaum beachteten kleinen Stillgewässern in allen untersuchten Gebieten. Von besonderem Interesse dürften weiterhin mehrere offensichtlich grundwasserbewohnende Populationen von Amphipoda sein, sowie die individuenreich vorliegenden Coleoptera und Heteroptera. Ein wichtiges Anliegen des Projekts, die Suche nach adulten Exemplaren einiger rätselhafter, bislang nur larval oder als Nymphen vorliegender Taxa, blieb trotz intensiver Sammelaktivität an den entsprechenden Fundorten erfolglos, hat aber dennoch wichtige zusätzliche Kenntnisse erbracht: (1) Die späte Regenzeit ist offensichtlich für Wassermilben auf Madagaskar keine Periode eines besonders intensiven Parasitismus. Da auch während der Trockenzeit 2001 nur geringe Parasitierungsraten (bei zugleich überhaupt nur geringster Insektenemergenz) festgestellt wurden, wird wahrscheinlich, dass es zu Beginn der Regenzeit (Dezember/Januar) einen entsprechenden peak geben dürfte. Möglich ist für die interessante Gattung Malgasacarus (nur als Deutonymphe aus der madagassischen Trockenzeit bekannt) ein sehr kurzes „phänologisches Fenster“ mit Auftreten der Adulten nur zu Beginn der Regenzeit. (2) Für die gesuchten Taxa konnte die vermutete besondere Rolle organischmineralischer Sedimente im Übergangsbereich Land-Wasser, im Rahmen des Projekts besonders intensiv bearbeitet, nicht bestätigt werden. Ihr tatsächlich bevorzugter Lebensraum bleibt damit weiterhin ungeklärt. (3) Statt des nach Präparaten aus dem MNHN Paris bekannten auf Wanzen der Gattung Rhagovelia parasitischen Larven-Morphotyps („Taxon II“) wurden zwei Exemplare einer weiteren zuvor ebenfalls unbekannten auf Rhagovelia parasitischen Wassermilben-Larvenform entdeckt („Taxon I“). Die madagassische Wassermilbenfauna befindet sich offensichtlich in einem sehr frühen Erfassungsstadium, auf dem jede Nachsuche weniger zur Beantwortung alter Fragen führt, als dass sie immer neue aufwirft. Immerhin ließen sich aber inzwischen im Rahmen eines Synthesys-Projekts am Pariser Museum weitere Larven des Taxon II nicht nur aus Madagaskar finden, sondern auch aus Kamerun. Wir haben uns deshalb zu dem Versuch eines Sequenzierungsprojekts entschlossen, das nicht nur beide Larven-Typen einschließt, sondern parallel dazu auch adulte Vertreter zweier Gattungen mit afrikanisch-madagassischer Verbreitung, Neolimnochares und Teratothyas. Adulte Vertreter beider Gattungen sind in den Gewässern der Montagne d’Ambre regelmäßig anzutreffen, zu beiden Gattungen ist bislang die Larvalmorphologie unbekannt, aufgrund ihrer Charakterkombinationen ist nicht auszuschließen, dass zumindest eine der fraglichen Larven einer dieser Gattungen angehören könnte.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2011): „Eine merkwürdige Wassermilbenlarve aus der Montagne d‘Ambre, Nord-Madagaskar.“ VIII. Milbenkundliches Kolloquium, Tübingen, September 2011)
Gerecke, Laumann & Wohltmann
