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Die Deutsche Forschungsgemeinschaft 1920-1970; hier: Wirkstoffe: Regulatoren des Leistungsgetriebes. Eine Geschichte der Institutionalisierung, Standardisierung, Aktivierung und Prekarisierung der Hormone, Vitamine und Enzyme, 1920-1970 (hrsg.: Heiko Stoff)

Subject Area Modern and Contemporary History
Term from 2011 to 2013
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 193615432
 
Unter Wirkstoffen wurden im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts ausschließlich die auch als Biokatalysatoren bezeichneten, chemisch noch keineswegs dargestellten Enzyme, Hormone und Vitamine verstanden. Wirkstoffe erlaubten nicht nur die erfolgreiche Intervention ins körperliche Geschehen, sondern etablierten zugleich eine vollkommen neue Repräsentationsform körperlicher Prozesse, eine neue Physiologie. Bereits vor ihrer biochemischen Reindarstellung waren mit den Wirkstoffen Erwartungen verbunden, die über die therapeutischen Erfolge bei der Behandlung von Krankheitserscheinungen wie Rachitis (Vitamin D), Skorbut (Vitamin C) oder Diabetes (Insulin) hinausgingen. Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts war die Standardisierung der Hormone und Vitamine ein höchst bedeutsames Ziel, für das sich gleichermaßen die pharmazeutische Industrie, Lebenswissenschaftler und der gesundheitspolitisch agierende Staat interessierten. Diese Interessen wurden durch die Forschungsförderungsinstitution der DFG vermittelt, welche die Wirkstoffforschung intensiv finanzierte. Bei dieser Institutionalisierung der Wirkstoffe mittels innovativer Bestimmungsmethoden und biochemischer Experimentalsysteme reüssierten Hormone und Vitamine als Substanzen, die in kleinster Menge wundersame Leistungen vollbringen. Wirkstoffe waren zugleich vermarktbare Therapeutika und Prophylaktika, wissenschaftliche Innovationen, populärwissenschaftlich gefeierte Sensationen und physiologisch-politische Agenzien. Im Nationalsozialismus kam vor allem den Sexualhormonen große reproduktionsmedizinische und den Vitaminen ernährungspolitische Bedeutung zu. Die Aktivierung der Wirkstoffe war Staats- und kriegswichtig. Jedoch setzte bereits zu diesem Zeitpunkt eine Debatte über die mögliche Toxizität und Cancerogenität der Wirkstoffe ein, welche diese in den 1950er und 60er Jahren als Prekarisierung industriell produzierter sowohl natürlicher als auch künstlicher Stoffe in den Mittelpunkt der Risikopolitik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts rückte. Um 1970 produzierte die Pharmaindustrie in zuvor nicht gekanntem Ausmaße Hormone und Vitamine, nahmen Menschen täglich Vitaminpräparate ein, verzehrten vitaminisierte Lebensmittel und wurden hormontherapeutisch behandelt. Die biochemische Forschung erarbeitete kybernetische Prozesse der Stoffwechselregulation und selbst gesteuerter Regelkreisläufe, bei welchen den Enzymen eine aktivierende Funktion zukam. Die Chemisierung und Molekularisierung des Körpers ermöglichte die biotechnologische Steuerung des menschlichen Lebens. Zugleich waren damit neue Gefahren dargestellt, welche der unkontrollierten Aktivierung von Wirkstoffen deren dauerhafte Prekarisierung entgegenstellten.
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