Motivationale Randbedingungen und funktionelle Konsequenzen des Erlernens von Werkzeugtransformationen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Menschen gelingt es in meist sehr kurzer Zeit, die Bedienung neuer Werkzeuge zu erlernen. Ein Ziel der durchgeführten Untersuchungen war es zu überprüfen, welche Auswirkungen das Erlernen der Bedienung sehr komplexer Werkzeuge, wie sie z. B. im Rahmen von minimal-invasiven chirurgischen Eingriffen eingesetzt werden - diese entsprechen der Bedienung eines zweiseitigen Hebels - auf die Aufmerksamkeitsausrichtung im Raum sowie die Bewegungsplanung hat. Es zeigte sich, dass sich die normalerweise um den Bereich der Handposition auftretende erhöhte Aufmerksamkeit bei der Benutzung solch eines Werkzeugs zu Beginn des Erlernens tendenziell zunächst von der Hand zur distalen Werkzeugspitze verschiebt. Dies wird als Indiz dafür interpretiert, dass die motorische Steuerkette durch das Werkzeug erweitert und nicht mehr die Hand, sondern die distale Werkzeugspitze als Endeffektor bei der Bewegungsplanung verwendet wird. Der Befund, dass sich im späteren Lernverlauf die Aufmerksamkeit um den Bereich der Handposition wieder erhöht, kann in Verbindung mit der gleichzeitig damit auftretenden weiteren Verringerung der Bewegungsfehler bei der Benutzung des Werkzeugs im Sinne einer weiteren Optimierung der Bewegungen interpretiert werden. In früheren eigenen Untersuchungen wurde bereits für einen anderen Parameter der Bewegungsplanung, die Krümmung der Bewegungsbahn, solch eine Distalisierung der Bewegungsplanung gefunden. Basierend auf der Annahme, dass sich geplanten Bewegungen stets durch die einfachste Bewegungstrajektorie auszeichnen, fanden wir fast gerade Bewegungsbahnen der Werkzeugspitze, während die entsprechenden Handbewegungen zum Teil stark gekrümmte Bahnen aufwiesen. Allerdings trat dieser Effekt nur unter bestimmten Rahmenbedingungen auf, welche in diesem Projekt genauer untersucht wurden. Es zeigte sich hier, dass die dynamische Werkzeugtransformation, also die am Werkzeug wirkenden Kräfte, die Tendenz zur geraden geplanten Bewegungsbahn zu überlagern scheint. So scheint sich die gerade Trajektorie der Werkzeugspitze vor allem unter dem Einfluss der dynamischen Werkzeugtransformation zu zeigen. Dieser Einfluss ist besonders stark, wenn die Bewegungsbahnen, für die die Bewegungsziele definiert sind, sensorisch erfassbar sind. Bewegungen der Werkzeugspitze müssen dafür visuell zugänglich sein; bei Bewegungen der Hand scheint die propriozeptive Information über deren Lage für das Auftreten dieses Effektes auszureichen. Ein weiteres Ziel des Projekts war die Untersuchung des Einflusses intrinsischer und extrinsischer Motivierung auf das Erlernen von komplexen Werkzeugtransformationen. Hier gelang es nicht, mit Hilfe von Kontextanreicherung (im Sinne eines „Gamification“-Ansatzes) die Lernleistung zu beeinflussen. Für einfachere motorische Handlungen wurde dadurch allerdings eine erhöhte intrinsische Motivation bei der Ausgabenausführung vor allem bei Personen mit geringer initialer Aufgabenmotivation erzielt. Ein deutlicher Einfluss auf die Lernleistung der Hebeltransformation ergab sich durch den Einsatz finanzieller Anreize als Belohnung für genaue Bewegungen. Hier fanden sich neben einer allgemeinen Beschleunigung der Bewegungszeiten, die im Sinne einer Arousalerhöhung interpretiert werden kann, auch selektive Auswirkungen auf die Genauigkeit der ausgeführten Bewegungen. So nahmen die Teilnehmer z.B. unbequemere Handpositionen in Kauf; das innere Modell der Transformation war genauer und wich deutlich vom sonst typischerweise gefundenen vereinfachten Modell der Transformation ab. Finanzielle Anreize erhöhten außerdem das explizite Wissen über Werkzeugtransformationen und bewirkten dadurch vor allem bei älteren Versuchspersonen mit gering ausgeprägter Handlokalisation, die sonst eher schlechte Leistungen zeigten, eine deutliche Leistungsverbesserung.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2012). Financial incentives influence the learning of a complex visuo-motor transformation. Journal of Sport and Exercise Psychology, 34, 139
Sülzenbrück, S., Sutter, C. & Massen, C.
- (2013). Movement paths in operating hand-held tools: tests of distal-shift hypotheses. Journal of Neurophysiology, 109, 2680-2690
Sülzenbrück, S. & Heuer, H.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1152/jn.01101.2012) - (2013). The allocation of attention during the use of pointing tools. In: U. Ansorge, E. Kirchler, C. Lamm & H. Leder (Hrsg.): Abstracts of the 55th Conference of Experimental Psychologists (S. 435). Lengerich: Pabst Science Publishers
Sülzenbrück, S.
- (2013). The impact of financial incentives on motor learning in younger and older age. 2. International Conference on Aging & Cognition, Dortmund 2013. Journal of Psychophysiology, 27 (Suppl 1), 21-22
Gajda K., Sülzenbrück S. & Heuer H.
- (2014). Adaptation an sensomotorische Transformationen im Altersverlauf. Dissertation, Ruhr Universität Bochum
Gadja, K.
- (2014). Das Erlernen komplexer Werkzeugtransformationen. Habilitationsschrift, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Sülzenbrück, S.
- (2014). Why does extrinsic motivation enhance adaptation to a visuomotor rotation? In: A. Schütz, K. Drewing & K. Gegenfurtner (Hrsg.): Abstracts of the 56th Conference of Experimental Psychologists (S. 78). Lengerich: Pabst Science Publishers
Gajda K., Sülzenbrück S., Heuer H.
- (2016). Financial incentives enhance adaptation to a sensorimotor transformation. Experimental Brain Research, 234, 2859-2868
Gajda, K., Sülzenbrück, S., & Heuer, H.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s00221-016-4688-3)