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Insculpta imago. Das Siegel als Paradigma eines Bildkonzepts des Mittelalters und der Frühen Neuzeit

Antragstellerin Dr. Ruth Wolff
Fachliche Zuordnung Kunstgeschichte
Förderung Förderung von 2011 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 195204110
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Untersuchungen bestätigten die paradigmatische Rolle des Siegels als Bildkonzept des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Theologische Diskurse, juristische Kommentare zum Siegelrecht, notarielle Beschreibungen von Siegeln, Schatzinventare und Schriften zur Kunst thematisieren das Siegel als plastisches Medium der Reproduktion, das stets in seiner doppelten Natur begriffen wird: als bildgebender Stempel und als das Bild empfangender Abdruck. Theologische und rechtliche Schriften durchdringen einander, und auch etwa Formulierungen notarieller Siegelbeschreibungen verweisen auf biblische Texte, die Kernstellen des theologischen Diskussion um Bilder waren. Die Größe des Siegels spielt in den Bilddiskursen kaum eine Rolle, und die Größe des im Bild Dargestellten wird von Siegelbeschreibungen bewusst verschleiert. Die Plastizität des Mediums wird dagegen nicht als akzidenteller Charakter, sondern als dem Siegel wesentlich begriffen. Das Siegel ist in den theologischen, rechtlichen, kunsttechnologischenund theoretischen Diskursen nicht allein Abdruck, im Sinne des Abdrucks eines Gesichts in ein Tuch oder einer Fußspur, sondern Eindruck eines Bilds in Materie, durch den ein anderes Bild entsteht. Mit anderen Worten: Die Besiegelung wird als intentionaler schöpferischer Akt begriffen, und das Siegel als potentes, kreatives Medium. Die vorwiegend in der zweiten Projektphase erarbeiteten Fallbeispiele übertrafen die zu Beginn der Untersuchungen gestellten Erwartungen. So konnte die bislang nur für Byzanz erkannte Zentralität des Siegels auch für Bildtheorien des Westens, insbesondere des Franziskaners Bonaventura nachgewiesen werden. In einem der bedeutendsten Tafelbilder mit dem hl. Franziskus, der sogen. Porziuncola-Tafel, wird in Reaktion auf die Bildtheologie Bonaventuras der Moment der Berührung von Siegelstempel- und Abdruck bei der Erzeugung der imago zu einem visuellen Diskurs der Authentizität des Bildes. Besonders Siegelbeschreibungen von Notaren haben sich darüber hinaus als bislang von der Forschung ignorierter und komplexer Fall mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Ekphrasis erwiesen: Denn notarielle Beschreibungen sind tiefgreifend vom kanonischen Recht geprägt und leisten gerade dadurch eine Distanzierung zum Bild, , was am Beispiel des Florentiner Herkulessiegels gezeigt wird. Auf der Basis seiner Beschreibung in Inventaren und Kunsttraktaten werden ferner das Siegel Neros und seine Beschreibung durch Lorenzo Ghiberti neu in das Florenz des Quattrocento verortet. Von grundlegender Bedeutung für die kunsthistorische Grabmalsforschung ist schließlich der im Projekt gezeigte Konnex von Siegelbildern und Grabbildern am Beispiel der imago doctoris in cathedra: Im Rekurs auf das Siegel vermag das relieferte Grabbild die Präsenz der doctores über ihren Tod hinaus zu perpetuieren.

 
 

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