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Geographische Indikationen: Kulinarisches Erbe als Cultural Property

Fachliche Zuordnung Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Förderung Förderung von 2011 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 25905063
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Teilprojekt „Geographische Indikationen: Kulinarisches Erbe als Cultural Property“ verfolgte in Kooperation der Arbeitsgruppen Tschofen (Universität Tübingen) und Spiller (Universität Göttingen) eine integrierte kulturwissenschaftlich-ökonomische Analyse des EU-Herkunftsschutzsystems. In diesem wird Lebensmittelspezialitäten definierter Regionen ein weitreichender rechtlicher Zeichenschutz gewährt, wenn sie historisch-kulturwissenschaftlich eine hinreichende Tradition dieses Erzeugnisses nachweisen können. In einer einleitenden konzeptionellen Arbeit konnten in dem Projekt zunächst juristische und ökonomische Widersprüche der EU-Verordnung herausgearbeitet werden, insbesondere bei der geschützten geographischen Angabe, die für die Nachfrager intransparent ist und zu missbräuchlichem Marketing einlädt. Auf dieser Basis wurden Politikvorschläge für die EU entwickelt. Im empirischen Hauptteil wurden mit einem interdisziplinären Zugang einzelne Akteure und unterschiedliche Akteursgruppen in den Mittelpunkt gestellt und ihre Intentionen und Initiativen, Praktiken und Prozesse, Konflikte und Wahrnehmungen im Verlaufe des Kodifizierungsprozesses herausgearbeitet. Durch ein induktiv-hermeneutisches Vorgehen konnte das Teilprojekt, ausgehend von einem Vergleich vier unterschiedlich gelagerter Fallbeispiele (Käsespezialitäten), Aussagen über Strategien der Inwertsetzung regionaler kulinarischer Kultur und über das lokale Aushandeln von Konzepten wie „Tradition“, „Kultur“ und „Region“ formulieren. Durch die Zusammenarbeit mit weiteren ForscherInnen der Forschergruppe konnte zudem der enge Bezug zwischen Agrarmarketing und Tourismus herausgearbeitet werden. Eine ökonomisch-kulturwissenschaftliche Perspektive ist in der Agrarökonomie bisher kaum verbreitet. In dem Themenfeld Herkunftsschutz dominieren vielmehr Erklärungsmodelle der Industrial Organizations oder der traditionellen Konsumforschung (z. B. zur Zahlungsbereitschaft für die Label). In den untersuchten vier Intensivfallstudien in Italien und Deutschland konnten dagegen die kulturwissenschaftlichen Reflexionen der Akteure eindrucksvoll herausgearbeitet werden. Diese knüpfen mit dem Verweis auf das Terroir an naturgegebene Standortfaktoren (Region, Boden, Tierrassen, etc.) an und verbinden diese mit traditionellen Produktionstechniken zu wirkungsmächtigen Marketingkonstruktionen (Stories), die in Produkte übersetzt werden. Die Heraushebung der Landwirtschaft in Prozessen des Lebensmittelmarketings ist in dieser Intensität eine neue Entwicklung. Sie spiegelt ein weitgreifendes Unbehagen an der modernen industriellen Lebensmittelproduktion und kommt dem System regionaler Spezialitäten und spezifisch der geschützten Ursprungsbezeichnung zugute.Das Schutzsystem der Europäischen Union mit seinem weitreichenden Geltungsbereich kann trotz der im Projektverlauf herausgearbeiteten konzeptionellen Defizite als gelungenes Instrument der Revitalisierung ländlicher Räume und der Inwertsetzung von Nachhaltigkeitselementen verstanden werden. Für die Weiterentwicklung der agrarökonomischen Forschung konnte auf diese Weise deutlich gemacht werden, dass Spezialitätenmarketing durch den Anschluss an ein anerkanntes Schutzsystem und durch die (Re-)Vitalisierung kultureller Fundierungen erstaunlich wirkungsmächtig werden kann.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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