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Brahms-Briefe-Verzeichnis (BBV) Verzeichnis sämtlicher Briefe von und an Johannes Brahms

Subject Area Musicology
Term from 2006 to 2010
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 19738804
 
Final Report Year 2009

Final Report Abstract

Die Sammlung und chronologische Ordnung der Brahms-Korrespondenz durch das BBV, von der nach jetzigem Kenntnistand (10.869 Briefe) knapp ein Drittel (3.492 Briefe) unpubliziert ist, hat das Brahms-Bild in vielen Punkten differenzieren und konkretisieren können: Nicht zuletzt deshalb bestehen konkrete Pläne, das BBV bald in eine vollständige Neuedition sämfiicher Briefe von und an Johannes Brahms zu überführen. Dass sich das Brahms-Bild durch die Arbeit des BBV gewandelt hat, sei mit wenigen Beispielen angedeutet. Zunächst ist auf Brahms' aktive Eingriffe in die Überiieferungsgeschichte seiner früheren Korrespondenz zu venweisen, indem er Briefe aufkaufte, vernichtete oder der Publikafion entzog. Gleichzeitig wandelte sich sein Sprachstil generell hin zu vorsichtiger Distanz, was seiner zunehmenden Prominenz geschuldet ist, die er wahrnahm und auf deren Schattenseiten er entsprechend reagierte. Bedeutsam ist freilich vor allem der Kontext der Werkgenese. Der Briefwechsel enthält insgesamt nämlich zahlreiche substantielle Äußerungen über Brahms' Werke und deren Wirkungen, wichfige Hinweise zur Veröffenfiichung und Wiedergabe, Äußerungen zur Deutung und Interpretafion. Infime Einblicke in seinen Arbeitsprozess oder in Gedanken zu ästhefischen Fragen gewährt die Korrespondenz indes eher selten. Insgesamt gilt jene Mitteilung, die schon der junge Brahms im Februar 1858 gegenüber Clara Schumann machte: »Wundere Dich nie, liebe Clara, daß ich nicht von meinem Arbeiten schreibe. Ich mag und kann das nicht« (Schumann-Brahms Briefe I, S. 217). Das heißt jedoch nicht, dass Brahms seine Freunde nicht doch auch an seinen Komposifionen teilhaben ließ. Immer wieder hat er neue Werke im Freundeskreis verschickt - an Clara Schumann, Joseph Joachim oder Julius Otto Grimm und später an Elisabeth von Herzogenberg. Anschließend entwickelte sich oft ein Dialog aus Impulsen und Reakfionen, wenngleich manche veriorenen Briefe heute nur noch erschlossen werden können. Ingesamt ergibt sich ein quantitativ dichtes Gefüge aus Fakten und indirekten, kunstvoll verschleierten oder ironisch-sarkasfischen Andeutungen über Werke und ihre Entstehung, die - ob in der Kommunikafion mit Veriegern, Widmungsträgern oder Freunden - über die Werkgenese dennoch derart genau Auskunft geben, dass die Briefe zu wichfigen Referenzen in öer Brahmsforschung avanciert sind, indem sie nicht selten auch Arbeits- und Ergebnisbericht zum Brahms-Briete-Verzeichnis (BBV). Verzeichnis samtlicher Briefe von und an Johannes Brahms Entscheidungshilfen für die Bestimmung derjeweiligen Bedeutung musikalischer Quellen geben. Die Informafionen zu werkgenefischen oder musikästhetischen Fragestellungen erschließen sich nicht aufden ersten Blick oder in einem einzigen Brief, sondern erst im Verbund, also einer mehrteiligen Lektüre, die die Gegenbriefe immer einkalkulieren muss. Hier hat sich die Konzepfion des BBV als überzeugend erwiesen, eben gerade die gesamte und nicht nur die Brahms-Korrespondenz zu verzeichnen. Dieser Aspekt sei hier besonders betont. Ein Resümee über Brahms als Briefschreiber kann zum Projektstand eines Verzeichnisses naturgemäß nur an der Oberfläche bleiben. Dennoch hat das Projekt bereits Anregungen gebeben, sich diesem Themenfeld zu widmen, wie etwa der Beitrag des Projektleiters zu Brahms als Briefschreiber im Brahms-Handbuch (Stuttgart 2009, hg. v. Wolfgang Sandberger) zeigt. Brahms war in jedem Fall kein charmant-plaudernder, vornehmer und eloquenter Briefschreiber, kein galanter Formulierungskünstler wie seine Freunde Theodor Billroth oder Hans von Bülow, er pflegte den Mythos des verschlossenen und ohnehin nicht interessanten Briefschreibers, den man besser nicht zu oft, als Fremder besser gar nicht kontaktierte. Er venwaltete seine Korrespondenz, indem er Teile vernichtete oder der Publikafion entzog, und er verhielt sich mit zunehmender Prominenz zurückhaltender in schriftlichen Äußerungen, um möglichen Missdeutungen zu entgehen. Zugleich war er ein virtuoser Meister der Maskierung und Verstellung. Als Beispiel sei ein Brief an den Verleger Rieter-Biedermann herausgegriffen, in dem der Komponist im Januar 1869 auf den Wunsch nach einer vierhändigen Ausgabe seines Requiems eingeht. Voller Ironie äußert er sich dabei über das Requiem, das Arrangieren und den Wunsch des Veriegers, eine leicht spielbare Fassung herzustellen, wobei Anspielungen an die klavierspielende höhere Tochter des Veriegers nicht ausbleiben: »Ich habe mich der edlen Beschäftigung hingegeben, mein unsterbliches Werk auch für4händige Seele genießbar zu machen. Jetzt kann's nicht untergehen. Übrigens ist es ganz vortrefflich geworden und außerdem sehr leicht spielbar, wirklich ganz und gar leicht und flott zu spielen. Fräulein Ida wird es nicht bloß leichter ablaufen als die Gebirge mit ihrem Papa, sondern ihr göttlicher, nein, doch götziger Meister [Anspielung an Herrmann Götz] wird sie gar nicht im Andante-Schritt halten können. Die Hölle ist absolviert [Anspielung auf »Hölle, wo ist dein Sieg?« im sechsten Satz], und ich denke, der Tage es Ihnen zuzuschicken«; und dass Brahms letztlich sogar mit den Normen des Briefschreibens gekonnt zu spielen verstand, zeigt die ironische Schlussformel des Briefes, die mit barocken Vorbildern kokettiert: »Womit ich die Ehre habe, zu sein Dero und sonderiich Dero werten Damen gehorsamster Diener J. Brahms« (Briefwechsel XIV, S. 172). 10 Arbeits- und Ergebnisbericht zum Brahms-Briefe-Verzeichnis (BBV). Verzeichnis sämtlicher Briefe von und an Johannes Brahms Bei der inhalfiichen Beschäftigung mit den Briefen zeigte sich auf Schritt und Tritt, wie notwendig eine Neuedition des Briefwechsels ist. Auch dies sei abschließend mit einem scheinbar marginalen Beispiel belegt, das aber für die Edifionslage insgesamt durchaus typisch ist: So tauchte im Rahmen des Projektes der Originalbrief von Brahms an Rudolf von der Leyen in Krefeld auf, den der Adressat in einer Edifion 1905 selbst publizierte; im Kontext einer Aufführung des Violinkonzerts schreibt Brahms, dass ihm als Solisten »Hr. Heermann oder Her. [sie] Barth sehr recht sind. Ich glaube, Ersterem schulden Sie die erste Einladung«, wobei der indirekt betroffene Editor die Reihenfolge der beiden Interpreten vertauscht und den Nachsatz mit der geschuldeten Einladung einfach unterschlagen hat. Angesichts dieser Forschungslage scheint eine krifische Neuedifion des gesamten Briefwechsels von Brahms dringend notwendig. Die Voraussetzungen sind mit dem Brahms-Briefwechsel-Verzeichnis geschaffen.

 
 

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