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Europeanization of Multinationals - Europäische multinationale Unternehmen zwischen Europäisierung und Globalisierung im Zeitraum zwischen 1965 und 1990

Subject Area Modern and Contemporary History
Term from 2011 to 2015
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 198882232
 
Final Report Year 2015

Final Report Abstract

Die Multinationalisierung von Chemiekonzernen vollzog sich im Einzelnen oftmals aus höchst unterschiedlichen Gründen, gleichwohl lassen sich einige übergreifende Entwicklungslinien aufzeigen. Die Manager waren erstens in ihrer Mehrheit der Überzeugung, im Ausland höhere Wachstumsraten erzielen zu können. Zweitens besaß der zusammenwachsende europäische Markt aufgrund seines Absatzpotenzials als Anlageregion neben den USA eine besondere Anziehungskraft. Dies bewiesen nicht nur ansteigende Direktinvestitionen US-amerikanischer Chemieunternehmen in Europa, sondern auch wachsende Investitionen westdeutscher Konzerne im europäischen Ausland, insofern stellte sich die weltwirtschaftliche Verflechtung der Bundesrepublik zunächst stärker als Europäisierung dar. Ab Mitte der 1970er Jahre investierten westdeutsche Unternehmen allmählich auch kräftiger in den USA, die aufgrund ihrer Marktgröße und veränderter Währungsparitäten an Attraktivität gewannen. Dabei versuchten die Chemieunternehmen drittens ihre Produktpalette – vielfach durch Firmenakquisitionen – zu verbreitern und über jene Diversifizierung das unternehmerische Risiko gegenüber ökonomischen Krisen zu verringern. Der Ausbau der Auslandsproduktion sollte hierbei Schutz vor Währungsschwankungen bieten, wie sie die Unternehmen ab Ende der 1960er Jahre – besonders seit dem Zusammenbruch von Bretton Woods – verstärkt erlebten. Während der Exportboom und die mit ihm erwirtschafteten Überschüsse in Zeiten des Wiederaufbaus den sozialen Konflikt zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern überdeckt hatten, brach der tarifpartnerschaftliche Konsens mit der Rückkehr ökonomischer Krisen bei steigenden Lohn- und Energiekosten wieder auf. Solange die Expansion im Ausland mit einer Erweiterung der Unternehmensaktivitäten einherging, konnten alle Unternehmensakteure – einschließlich der Gewerkschaften – diesem Kurs zustimmen, im Fall einer Verlagerung von Produktionskapazitäten auf Kosten einheimischer Arbeitsplätze musste diese Strategie zunehmend Widerstände hervorrufen. Steigenden Energiekosten versuchten die Chemieunternehmen letztlich erfolglos durch den Bau eigener Kernkraftwerke entgegenzutreten; weitaus wirksamer waren hingegen die Rationalisierungsund Einspareffekte der chemischen Industrie, der es ab den 1970er Jahren gelang, das Wachstum ihres Elektrizitätsbedarfs zu drosseln. Der beschleunigten Expansion der Auslandsproduktion folgte die Schlussfolgerung, die Organisationsstruktur dem neuen Konzerngebilde unter den Bedingungen größerer Marktnähe anzupassen. Westdeutsche Chemiekonzerne wie BASF, Bayer oder Hoechst wollten wie ihre US-Konkurrenten von den Vorteilen der divisionalen Unternehmensstruktur profitieren und griffen bei deren Implementierung häufig auf das Wissen externer Beratungsgesellschaften zurück. Indem die Vorstandsetagen für die Unternehmensberater geöffnet wurden, lösten sich die festen Außengrenzen des Unternehmens partiell auf. Dies ging mit einer unternehmensinternen Aufwertung des Marktes einher, dessen Entwicklung fortan zur Richtschnur unternehmerischer Entscheidungen wurde. Die Unternehmensorganisation selbst wurde zunehmend als Profitabilitätsfaktor angesehen. Unrentable Divisionen oder Produktgruppen konnten von nun an leichter ausfindig gemacht und konsequent abgestoßen werden. Für die Belegschaften nahm nicht nur der Druck infolge der Konkurrenzsituation zwischen den Divisionen zu, aufgrund der Multinationalität ihrer Konzerne mussten sie zudem Verlagerungen an günstigere Produktionsstandorte im Ausland befürchten. Dabei hingen Investitionsentscheidungen keineswegs nur von der Lohnhöhe, sondern ebenso von Subventionen und steuerlichen Vergünstigungen ab. Die Herausbildung des Finanzmarkt-Kapitalismus, der weltweite Konjunkturrückgang zu Beginn der 1990er Jahre und die europäische Liberalisierungspolitik verschärften die Konkurrenzbedingungen und lösten eine neue Runde von Fusionen und marktorientierten Umstrukturierungen aus. Die Durchsetzung des shareholder value-Prinzips bei Hoechst und der Zusammenschluss mit Rhône-Poulenc zu Aventis 1999 sowie die Herauslösung und anschließende Zerschlagung der Akzo-Fasersparte Acordis im selben Jahr waren somit die letzten Mosaiksteine einer in den 1970er Jahren entstehenden Vorgeschichte unserer Gegenwart.

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