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Das Konstantinopler Patriarchat im Beziehungsgeflecht zwischen griechischen Archonten und osmanischer Regierung zur Zeit Mehmeds II. (1451-1481)

Fachliche Zuordnung Religionswissenschaft und Judaistik
Förderung Förderung von 2011 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 199871183
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Dieses Projekt hat die Geschichte des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel zur Regierungszeit des osmanischen Sultans Mehmed II. (1451-1481), d.h. kurz vor und nach der osmanischen Eroberung Konstantinopels (1453), untersucht. In jener formativen Zeit ist das Patriarchat von der neben dem Kaisertum vornehmlichen staatstragenden Institution des Byzantinischen Reichs zu einer tragenden Institution – v.a. als Vertreter der Orthodoxen Bevölkerungen – des Osmanischen Reichs verwandelt worden. Um diese Verwandlung nachzuvollziehen, hat das Projekt zuerst die bisher im Dunkeln liegende Ereignis- und Politikgeschichte des Patriarchats beleuchtet. Die dazu nötige Untersuchung zu den Quellen zur Patriarchatsgeschichte führte zur Erstellung eines (fehlenden) kritischen Textes, auf Basis einer Sondierung der handschriftlichen Überlieferung, der einzigen einschlägigen narrativen Quelle (Patriarchatschronik der sog. Chronik von 1570). Diese Quelle erwies sich aber durch unsere Untersuchung als Text von sehr eingeschränktem historischem Zeugenwert. Nach diesem präliminarischen Ergebnis musste das Projekt nach anderen Informationsquellen suchen; und es ist tatsächlich gelungen, eine Vielzahl fragmentarischer, disparater Informationen, die u.a. in osmanischen historiographischen Quellen, in italienischen Archiven, in Handschriftenmarginalien und Inschriften aus dem slavischen Sprachraum zerstreut vorliegen, zu identifizieren und zu bearbeiten. Auf dieser neuen Basis konnte das Projekt rekonstruieren, wie das Konstantinopler Patriarchat eine in ihren realen Dimensionen bisher ungeahnte internationale Rolle in der Expansion und Politik des Osmanischen Reichs unter Mehmed gespielt hat, und wie diese seine politischen Rolle – parallel zu Verhältnisänderungen in der Konkurrenz zwischen christlichen Eliten – Stoßrichtung änderte. Diese Stoßrichtungsänderungen ergaben den Schlüssel zum Verständnis der Patriarchatsgeschichte und damit das Prinzip für ihre Periodisierung: a) Die ersten drei Jahre nach der Eroberung (1453) war die Zeit der griechischen Byzantinischen Eliten, in der anti-unionistische ex-Diplomaten der Byzantinischen Regierung sowie alte Mitarbeiter Mehmeds II. mit ihrem Rat bei Mehmed zur „Neugründung“ des Ökumenischen Patriarchats maßgeblich (mit-)wirkten und darüber hinaus dem Sultan nahelegten, das Patriarchat auch in die Osmanische (Außen)Politik einzubinden. So unterstützte die osmanische Regierung die erstmalige Forderung des Patriarchats, Subsidien auch von den Orthodoxen Klöstern und Bistümern im venezianischem Territorium einzuziehen. Doch erwirkte dieser Eingriff, der in die Unterstützung durchs Patriarchat für die osmanische Eroberung des venezianischen Kreta kulminierte, umgekehrt die Involvierung Venedigs in die Patriarchatspolitik, womit b) die Kretisch-Venezianische Phase eingeführt wurde. Venedig verwandt jetzt seinen Einfluss an Mehmeds Hof darauf, Personen, die in engem Kontakt mit seiner Diplomatie standen, hohe Ämter im Patriarchat zu verschaffen. Dadurch sollte das Patriarchat zum Zankapfel einer innereuropäischen Konflikts werden: Venedigs Konkurrenten, Genua und Mailand, verwandten eine etablierte Beziehung Genuas zur griechischen Elite von Trapezunt, welche nach der Eroberung Trapezunts durch Mehmed (1461) nach Konstantinopel deportiert wurde, um den „venezianischen“ Patriarchatskandidaten „genuatische“ trapezuntische Kirchenmänner entgegenzusetzen. So trat das Patriarchat etwa 1464 in c) die trapezuntische Phase ein. Diese Zeit der Auseinandersetzungen – die für Mehmed, der oft zwischen „venezianischen“ und „genuesischen“ Kandidaten entscheiden musste, politisch prekär war – wurde ab 1647 mit der Durchsetzung im Patriarchat einer d) serbischgriechischen Elite, in der die kaiserlich-byzantinischen Familien Kantakouzenos und Palaiologos, darunter Mehmets II. Stiefmutter Mara Brankovič Kantakouzenou eine führende Rolle spielten, beendet. In dieses grundlegende Gliederungsschema, das sich erstmals in diesem Projekt herauskristallisierte, sind alle (bekannten wie neu gefundenen) Quellen eingebettet und bearbeitet worden. So entstand eine Rekonstruktion von Ereignissen und Personen, von Einflussgruppen und ihren Taktiken, die im Ganzen gesehen eine grundsätzlich neue Geschichte des Konstantinopler Patriarchats in den ersten formativen Jahren nach dem Fall Konstantinopels darstellt und die zugleich auch für die Osmanische Geschichte neue Ergebnisse zu Tage fördert.

 
 

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