Analytische Berechnung von Durchlaufzeitverteilungen in komplexen StetigfördersystemenUntersuchung der Auswirkung von Steuerungsstrategien an Materialflussknoten auf das Materialflusssystem
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden neue Bewertungsmethoden auf Basis der zeitdiskreten Modellierung entwickelt, mit denen der Prozess der Grobplanung komplexer, vernetzter Intralogistiksysteme qualitativ verbessert wird. Dabei geht es um die frühzeitige Berücksichtigung stochastischer Einflüsse und deren Wirkung auf Durchlaufzeiten, Wartezeiten und Warteplätze. Als stochastische Einflüsse gelten die Zeitpunkte des Eintreffens von Kundenaufträgen oder Dauer von Bearbeitungsvorgängen als Folge unterschiedlicher Arbeitsinhalte und –umfänge, aber auch Schwankung der menschlichen Leistungsfähigkeit. All das führt zu Wartezeiten innerhalb des Intralogistiksystems und damit zu wachsenden Durchlaufzeiten. Die Eignung einer Planungslösung ergibt sich sowohl aus dem Erzielen eines vorgegebenen Durchsatzes als auch in der Einhaltung von Durchlaufzeiten. Bisher kann dazu meist nur auf gemittelte Werte verwiesen werden, obwohl ein erheblicher Teil der Durchlaufzeiten ein Vielfaches der Mittelwerte betragen kann. Auf Basis der vorhandenen wissenschaftlichen Vorarbeiten aus Karlsruhe und Dresden wurden zeitdiskrete Berechnungsalgorithmen entwickelt und konkreten Materialflusskomponenten zugeordnet. Die Anwendung dieser Modelle fokussiert sich momentan im Bereich der Intralogistik auf Stetigfördersysteme, ist aber nicht darauf beschränkt. Die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der Modelle wurde verbessert und in ein Ana‐ lysetool „Material Flow Analyzer“ integriert, welches überarbeitet und weiterentwickelt wurde. Es erlaubt die Modellierung und Bewertung von Materialflusssystemen mit Hilfe vorgefertigter Bausteine und kann mit verhältnismäßig geringem Aufwand Auslastungen und Wartezeitverteilungen berechnen. Die Aneinanderreihung von Wartezeiten und Bedienzeiten über die passierten Wegabschnitte zwischen Quelle und Senke (mathematisch jeweils als diskrete Faltung berechnet) führt zur Durchlaufzeitverteilung für die Transportrelation. Die Materialflusssysteme sind als mehrstufige hierarchische Modelle aufgebaut. Ausgehend von Funktionsbereichen wie Transportieren, Lagern usw. wird eine schrittweise Detaillierung vorgenommen bis hin zu elementaren Materialflusskomponenten. Diese sind in einer umfangreichen Bausteinbibliothek abgelegt, je Funktion stehen ein oder mehrere Bausteine zur Auswahl (z. B. „Verzweigen“ mit Drehtisch, Rollenhubtisch, Verschiebewagen o.a.). Über die Verbindung dieser Bausteine mit anderen Bausteinen erfolgt der Aus‐ tausch der Informationen zum Materialfluss (Verteilungsfunktion), der Baustein selbst übernimmt die Transformation von Input‐ zu Outputdaten. In einer Testumgebung wurden die Berechnungsalgorithmen einzeln und im Netzwerk systematisch getestet. Vergleichsrechnungen zwischen zeitdiskreten und Simulationsmodellen zeigen bei einfachen Bedienmodellen eine fast perfekte Überdeckung der Ergebnisse. Beim Zusammenschalten von Bedienmodellen zu Netzwerken entstehen dagegen Abweichungen, die durch Weitergabe von (wenn auch nur gering) fehlerbehafteten Outputdaten als Input an den nächsten Baustein entstehen und sich unter Umständen verstärken. An Hand von Korrekturfaktoren können diese Abweichungen jedoch reduziert werden. Steuerungsstrategien an Materialflussknoten haben einen erheblichen Einfluss auf die Durchlaufzeit. Für die zwei relativ unterschiedlichen Knoten „Kreuzung“ und „Regalbediengerät“ wurden daher mehrere Strategien entwickelt und getestet. Ihre unterschiedliche Wirkung konnte nachgewiesen werden, die Approxi‐ mationsgüte ist bei einzelnen Strategien aber noch verbesserungswürdig. Auch ist die Anwendung momentan nur für eine klassische „4‐Wege‐Kreuzung“ einsetzbar. Weiterhin wurden Strategien entwickelt und untersucht, um ohne signifikanten Informationsverlust den Berechnungsaufwand zu reduzieren. Dazu zählt bei Anwendung der klassischen, vektororientierten Faltungsoperation die Verringerung der Vektorgröße. Als Alternative wurden andere mathematische Methoden wie die Fast‐Fourier‐Transformation getestet. Gerade Letztere führt dazu, dass bei größeren Modellen der Rechenaufwand (Zeit, Speicherplatz) erheblich reduziert wird. Das Verfahren sollte daher in künftigen zeitdiskreten Modellen eingesetzt werden. Anhand von systematischen Untersuchungen konnten Korrelationen und ihre Wirkung nachgewiesen werden. Für Serienschaltungen (unverzweigte Netzwerke) werden Korrelationen schon an der zweiten Station sichtbar. Sie verstärken sich bei weiteren Stationen, allerdings nur noch in geringem Maße. Bei verzweigten Netzwerken führt das Verzweigen, ganz besonders aber das Zusammenführen zur Veränderung der Materialströme, in deren Folge die durch Korrelation hervorgerufenen Effekte weitgehend verloren gehen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Analysis of material handling systems based on discrete time design modules, IMHRC 2012 – 12th International Material Handling Research Colloquium, Juli 2012, Gardanne, Frankreich
Furmans, K.; Schmidt, T.
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Neue Wege in der Systemplanung ‐Teil I, Ermittlung von Durchlaufzeiten in der Planungsphase‐ ohne Simulation. In f+h Materialfluss, Warenwirtschaft und Logistikmanagement 2884 (1‐2), 34‐37, Juli 2013
Furmans, K.; Schmidt, T.; Özden, E.; Meinhardt, I.
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Strategies for Reducing the Computational Effort of Discrete Time Queuing Models, SMMSO 2013 – 9th Conference on Stochastic Models of Manufacturing and Service Operations, Mai 2013, Seeon, Deutschland
Özden, E.; Epp, M.; Stoll, J.; Furmans, K.
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A decomposition approach for the analysis of discrete‐time queuing networks with finite buffers, First Karlsruhe Service Summit Research Workshop ‐ Advances in Service Research, Februar 2015, Karlsruhe, Deutschland
Stoll, J.
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Analytical computation of sojourn time distributions in large scale conveyer systems, SMMSO 2015 – 10th Conference on Stochastic Models of Manufacturing and Service Operations, Juni 2015, Volos, Griechenland
Furmans, K.; Schmidt, T.; Meinhardt, I.; Rimmele, M; Epp, M.
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Discrete time analysis of automated storage and retrieval systems, First Karlsruhe Service Summit Research Workshop ‐ Advances in Service Research, Februar 2015, Karlsruhe, Deutschland
Epp, M.; Özden, E.; Fuß, B.; Chen, J.; Furmans, K.
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Discrete‐time analysis of a 4‐way‐crossing in conveying systems under the dispatching policy round robin, SMMSO 2015 – 10th Conference on Stochastic Models of Manufacturing and Service Operations, Juni 2015, Volos, Griechenland
Rimmele, M.; Furmans, K.; Epp, M.
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Performance evaluation of a transportation-type bulk queue with generally distributed inter-arrival times. International Journal of Production Research, Volume 54, 2016 - Issue 20, 6251-6264
Schwarz, J.A.; Epp, M.