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Kinderarbeit und institutioneller Wandel im Deutschen Reich (1871-1914)

Subject Area Modern and Contemporary History
Term from 2006 to 2007
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 20251032
 
Obwohl die Kinderarbeit im 19. Jahrhundert nach wie vor zu den Standardthemen im Geschichtsunterricht gehört, ist ihre wissenschaftliche Aufarbeitung bisher überraschend dünn geblieben. Im Mittelpunkt des Interesses stand meist die Fabrikarbeit der Kinder, während die zahlenmäßig sehr viel wichtigeren Arbeitsgebiete - die Hausindustrie, die Landwirtschaft und der Dienstleistungssektor - nur am Rande Erwähnung fanden. Durch die Auswertung wenig bekannter Statistiken und die Schilderung typischer Einsatzbereiche (Zigarrenindustrie, Landwirtschaft u.a.) leistet die vorliegende Studie einen wichtigen Beitrag zur Korrektur dieser Schieflage. Die Berücksichtigung aller Wirtschaftszweige führt gleichzeitig zu einer Neubewertung der Faktoren, die die Entwicklung der Kinderarbeit beeinflussten. Rationalisierungsmaßnahmen konnten zwar den Ausschluss der Kinder aus den Fabriken beschleunigen, blieben aber für die Hausindustrie und die Landwirtschaft nahezu folgenlos. Ähnliches gilt für die in der Literatur noch immer überbewerteten militärpolitischen Argumente. Weit mehr Gehör fanden in der Kinderschutzdebatte Hinweise auf die bereits seit langem formal (aber nicht faktisch) institutionalisierte Schulpflicht. Entsprechende Initiativen einflussreicher Persönlichkeiten (Theodor Lohmann, Arthur von Posadowsky u.a.) und großer Interessenverbände (Verein für Sozialpolitik, Deutscher Lehrerverein u.a.) konzentrierten sich jedoch lange Zeit auf die Fabrikarbeit der Kinder. Erst 1903 fand auch die ausgedehnte Kinderarbeit in der Hausindustrie in einem Schutzgesetz Berücksichtigung. Die land- und hauswirtschaftliche Kinderarbeit blieb dagegen bis 1914 - und noch weiter bis zur Verabschiedung des Jugendarbeitsschutzgesetzes von 1960 - ein blinder Fleck der Gesetzgebung.
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