Holozäne Geomorphodynamik im Einzugsgebiet des Kyuchu-Flusses bei Lhasa, Südtibet: Rekonstruktion des natürlichen und anthropogenen Umweltwandels
Final Report Abstract
Die Landschaftsentwicklung der letzten ca. 10.000 Jahre (Holozän) auf dem Tibetischen Plateau wird in der bisherigen Forschung als weitgehend natürlich – d.h. von der Klimaentwicklung her bestimmt – angesehen. Dem widersprechen für den Zeitraum ab dem mittleren Holozän aus der Osthälfte des Plateaus vorliegende paläobotanische und archäologische Befunde, die einen jahrtausendelangen starken anthropogenen Einfluss auf die Landschaft vermuten lassen (u.a. mit den Folgen Entwaldung und Bodenerosion). Das Ziel im durchgeführten Projekt war eine zeitliche Differenzierung der regionalen holozänen Landschaftsentwicklung hinsichtlich klimatischgeomorphologischer (= natürlicher) und anthropogener Faktoren. Dafür wurden im Kyichu-Tal bei Lhasa (Südtibet) – eine heute großflächig halbwüsten- bis steppenähnliche Landschaft – im Höhenbereich 3600-4600 m NN verschiedene Geoarchive erkundet (Fluss- und Seeablagerungen, Löss- und Flugsanddecken, Kolluvien) und mittels geomorphologisch-bodenkundlicher, geochronologischer, paläobotanischer und archäologischer Methoden analysiert. Die meisten fluvialen und limnischen Strukturen (z.B. Terrassen) und die größten Volumen entsprechender Sedimente stammen aus dem Spätpleistozän; die Formungskraft holozäner fluvialer und limnischer Prozesse war somit gering. Die äolischen Prozesse zeigen eine Differenzierung in eine spätpleistozäne Lössablagerung und in eine Zweiteilung der Flugsandablagerung in einen spätpleistozänen und einen jungholozänen Abschnitt. Die Bildung spätpleistozäner Lösse und Flugsande ist auf rein natürlich ausgelöste, d.h. klimatisch-geomorphologisch getriebene Prozesse zurückzuführen, wo hingegen die jungholozäne Flugsandablagerung mit anthropogenen Landschaftseingriffen – Entwaldung, Ackerbau, Beweidung – verbunden ist. Für die kolluvialen Sedimente kann eine Zweiphasigkeit in ein (natürlich-kaltklimatisch ausgelöstes) spätpleistozänes und in ein (anthropogen ausgelöstes) jungholozänes Hang-Erosionsgeschehen postuliert werden. Anhand paläobotanischer Befunde (v.a. durch Holzkohlebestimmungen und -datierungen) lässt sich der Ersatz von lichten Wäldern – die je nach Standort aus Baumwacholder und -sanddorn, Birke, Weide und Zitterpappel bestanden – durch eine baumfreie und grasdominierte Weidelandschaft im Jungholozän rekonstruieren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der synchrone Nachweis von menschlicher Besiedlung, Feuerereignissen, Vegetationsveränderungen und Erosionsprozessen eine jungholozäne Prägung des Kyichu-Tales überwiegend durch menschlichen Einfluss wahrscheinlich macht. Folglich haben Menschen die Transformation einer ursprünglich bis ca. 4600 m NN bewaldeten Landschaft in eine extrem degradierte (Weide-) Landschaft verursacht – nicht die jungholozäne Klimaveränderung in Richtung Abkühlung und Aridisierung.
Publications
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2009. Stratigraphy and palaeoenvironmental implications of Pleistocene and Holocene aeolian sediments in the Lhasa area, southern Tibet (China). Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology 271, 329-342
Kaiser, K., Lai, Z.P., Schneider, B., Reudenbach, C., Miehe, G., Brückner, H.