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Herrschaftsumbruch und Historiographie. Entstehungskontexte der Zeitgeschichtsschreibung im normannisch-staufischen Süditalien (12. Jh.)

Fachliche Zuordnung Mittelalterliche Geschichte
Förderung Förderung von 2011 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 204053834
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Rahmen des Projekts wurden die wichtigsten zeitgenössischen historiographischen Werke untersucht, die über zwei zentrale Umbruchsphasen der süditalienischen Geschichte im 12. Jahrhundert berichten. Die Ystoria des Alexander von Telese und das Chronicon des Falco von Benevent entstanden im Umfeld der Gründung des normannischen Königreichs 1130; der Liber ad honorem Augusti des Petrus von Eboli entstand im Kontext der Eroberung des Königreichs durch den Stauferkaiser Heinrich VI. 1190/94. Ausgangspunkt des Projekts war die Beobachtung, dass sich die Erforschung der drei Geschichtswerke bislang im Rahmen moderner Meistererzählungen bewegt hat: Nach 1130 teilt sich die Geschichte Italiens gleichsam in die ‚zweier Italien‘, die des ‚Regno‘ im Süden und die der Kommunen im Norden; mit dem Erwerb des Regnum Sicilie durch Heinrich VI. 1194 rückt der Mezzogiorno von der Peripherie in das Zentrum der hochmittelalterlichen Kaiserherrschaft. Entlang dieser Narrative galten die im Rahmen des Projekts untersuchten Geschichtswerke von vornherein entweder als Hof- oder kommunale Geschichtsschreibung; aufgrund der scheinbaren Selbstverständlichkeit der Meistererzählungen wurde nicht nach der jeweiligen causa scribendi gefragt. Demgegenüber konnten im Rahmen des Projekts die Schreibanlässe aller drei untersuchten historiographischen Texte jeweils auf einen lokalen Entstehungskontext zurückgeführt werden. Dieser Perspektivwechsel ermöglichte einen neuen Zugang zum Verständnis der Geschichtswerke und der beiden Umbruchsphasen: Erstens lässt sich die Erzählstruktur der drei Werke erst mit Hilfe der lokalen Perspektive komplett verstehen. Wesentliche, aufgrund der vorgefassten Deutungsmuster bislang marginalisierte Inhalte wurden erstmals in ihrer Bedeutung erkennbar; scheinbare Brüche, die die Forschung bislang wahrzunehmen meinte, konnten als Teil einheitlicher Erzählungen integriert werden. Zweitens lassen sich die Autoren selbst und die Gruppen, denen sie angehörten, als eigenständige Akteure im jeweiligen Herrschaftsumbruch verstehen. An die Stelle einer Erklärung der Umbrüche als einfachen binären Gegensätzen (Herrscher und dessen Gegner) treten zahlreiche lokale Gruppen mit jeweils individuellen Interessen. Dadurch ließen sich die Konflikte erstmals in ihrer Eigendynamik analysieren. Drittens wurde deutlich, dass die drei Geschichtswerke selbst die Umbrüche nicht nur passiv abbilden; vielmehr waren sie selbst Mittel zur Einflussnahme auf den jeweiligen Umbruchsprozess: Der ‚Sitz im Leben‘ aller drei Geschichtswerke liegt im Bemühen lokaler Akteure, in Kommunikation mit dem Herrscher zu treten. Alexander von Telese und Petrus von Eboli verstanden ihre Geschichtswerke als Gaben an den neuen Herrscher; Falco von Benevent stellte den regelmäßig wechselnden päpstlichen Rektoren von Benevent mit dem Chronicon eine Art ‚Wissensspeicher‘ zur Verfügung, in dem seine Version von der Geschichte der Stadt seit Beginn des 12. Jahrhunderts festgehalten war. Verständlich wird dieses Bemühen vor dem Hintergrund des begrenzten Wissens, das die Herrscher über die lokalen Verhältnisse hatten – und umgekehrt wird das Gewicht akzentuiert, das einer lokalen Stimme an ihrem Ohr zukommen konnte.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Begraben unter Farbe und Ornament. Barbarossa im Liber ad honorem Augusti, in Kap. 4 von: Barbarossabilder. Entstehungskontexte, Erwartungshorizonte, Verwendungszusammenhänge, hg. von Knut Görich/Romedio Schmitz-Esser. Regensburg : Schnell & Steiner, 2014. 359 S. - 9783795429010
    Sebastian Brenninger
 
 

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