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Getreidehandel, Bankgeschäft und die Formierung des deutsch-jüdischen Wirtschaftsbürgertums in Berlin (1850-1933)

Fachliche Zuordnung Wirtschaftspolitik, Angewandte Volkswirtschaftslehre
Förderung Förderung von 2011 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 204555292
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Zunächst konnte anhand der vielfältigen Informationen, die zu den im Untersuchungszeitraum bestehenden Berliner Getreidehandelsunternehmen erhoben wurden, festgestellt werden, dass eine Vielzahl der Geschäfte jüdische Eigentümer hatte und dass in der Kategorie der größten und einflussreichsten Unternehmen an der Berliner Produktenbörse 90 % dieser Unternehmen von zugewanderten, jüdischen Unternehmern gegründet und geführt wurden. Die dadurch aufgeworfenen Fragen nach den Ursachen für den schnellen sozialen Aufstieg dieser Zuwanderer in das Berliner Wirtschaftsbürgertum sowie für die Überrepräsentation von Juden in dieser Branche knüpfen an einen bereits seit dem 19. Jahrhundert bestehenden Forschungsdiskurs an. Diesen Fragen nährte sich das Projekt mit der These des ökonomischen Wandels im 19. Jahrhundert einerseits und dem Rückgriff auf Modelle zu ethnischen Ökonomien in modernen urbanen Gesellschaften andererseits. Die soziologischen Modelle machten dabei deutlich, dass die spezielle Position immigrierter Minderheiten in der Gesellschaft sich grundsätzlich auf deren ökonomisches Verhalten auswirkt und die Einflussfaktoren, die zu diesem speziellen, ethnischen Wirtschaften und damit zu Überrepräsentation in bestimmten Branchen und Tätigkeiten führen, auch in sehr unterschiedlichen Kontexten vergleichbare Auswirkungen haben. Diese Einflussfaktoren konnten auch bei der Etablierung der aus den preußischen Ostprovinzen zugewanderten, jüdischen Getreidehändler in Berlin festgestellt werden. Daneben konnte ein Beitrag zu der in der Jüdischen Geschichte geführten Debatte über den sozialen Aufstieg – insbesondere deutscher - Juden im 19. Jahrhundert geleistet werden. Stärker als bisher wurde hier der Einfluss äußerer Faktoren in den Vordergrund gerückt, und zwar der Wandel der ökonomischen Verhältnisse, der auf der Ausbreitung der kapitalistischen Wirtschaftsweise, der Industrialisierung und der Globalisierung beruhte und den Getreidehandel vollständig veränderte. Erst diese Veränderungen schafften die Voraussetzungen und die ökonomische Nische, in der wirtschaftlicher Erfolg und sozialer Aufstieg möglich wurden. Auch die von der Forschung bereits festgestellten Ambivalenzen und Brüche innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft treten anhand der Auseinandersetzungen um den Getreidehandel an der Berliner Börse in den 1890er Jahren deutlich zum Vorschein. Mit diesem Projekt konnte darüber hinaus erstmals gezeigt werden, durch welche Voraussetzungen und Bedingungen die Berliner Produktenbörse in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihre international wichtige Stellung als Getreidehandelszentrum aufbauen konnte, wie dieser Getreidehandel im Detail funktionierte und mit welchen Problemen er zu kämpfen hatte.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • „Ökonomischer Wandel als Aufstiegschance. Jüdische Getreidehändler an der Berliner Produktenbörse 1860 – 1914“, Göttingen : Wallstein Verlag, 2018. 296 S.
    Ariane Wessel
 
 

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