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Duisburg-Marxloh. Auswirkungen kultureller Heterogenität im Stadtteil auf das Alltagsleben von Frauen und Mädchen

Subject Area Social and Cultural Anthropology and Ethnology
Term from 2011 to 2016
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 206697756
 
Final Report Year 2015

Final Report Abstract

Die Studie handelt von einer Vielfalt an Lebensformen von Frauen, die in acht Gruppierungen eingeteilt wurden: So ist die Rede von türkeistämmigen „Gastarbeiterinnen“ sowie von türkeistämmigen „Heiratsmigrantinnen“ und von „Bildungsaufsteigerinnen“, deren Eltern als „Gastarbeiter“ aus der Türkei nach Deutschland immigrierten. Es geht aber auch um autochthone „aktive“ Frauen, deren Überzeugung es ist, dass alle in Marxloh „gleich“ sind, aber auch um enttäuschte Marxloherinnen, den „Alteingesessenen“, die sich durch die Veränderungen im Stadtteil immer mehr entmündigt sehen. Hinzu kommen „zurückgezogene“ Frauen, die in ökonomischer und sozialer Hinsicht in Armut leben, aber dennoch darauf bedacht sind, dass man ihre Würde wahrt und sie als „jemand“ anerkannt werden. Schließlich handelt die Studie aber auch von „Romafrauen aus Rumänien“ und „Frauen aus Bulgarien“, die in Marxloh am stärksten von Armut betroffen sind, aber dennoch voller Optimismus in ihre Zukunft sehen, denn in Marxloh geht es ihnen zumindest ein wenig besser als in ihren Herkunftsländern. Was sich in der Studie über den Lebensalltag all dieser Frauen im Marxloher Setting zeigt, weist über das, was bislang über Frauen in der Stadt, und insbesondere über das Alltagsleben in sogenannten „sozialräumlich segregierten Stadtteilen“ bekannt ist, hinaus. Denn dass das Leben von Frauen auch in diesen Stadtteilen viele Gesichter hat und entsprechend auch deren Problemlagen differenziert betrachtet werden müssen, wird bislang nur wenig wahrgenommen: Dabei können wir in Marxloh gut beobachten, wie sehr sich bereits die nationalen Gruppierungen „Deutsche“ und „Türken“ sowie die ethnische Gruppe der „Roma“ in ihrem Inneren unterscheiden: Auf der einen Seite stehen die gebildeten und gut vernetzten „aktiven“ Frauen mit deutschem Pass sowie auf der anderen Seite die gering gebildeten und in Armut lebenden „Zurückgezogenen“ – ebenfalls mit deutschem Pass. Ebenso begegnen uns unter den türkeistämmigen Frauen einerseits die gebildeten und gut vernetzten „Bildungsaufsteigerinnen“ – andererseits die relativ traditionell lebenden „Heiratsmigrantinnen“ und „Gastarbeiterinnen“, die oft nur wenige Jahre zur Schule gegangen sind. Ähnlich ist dies bei den neuzugewanderten Frauen, die ebenfalls einheitlich entweder als „Frauen aus Bulgarien und Rumänien“ oder „EU-Neubürgerinnen“ oder „Roma“ betitelt werden, bei denen wir jedoch bereits zwischen den nationalen Gruppen, aber auch innerhalb der Gruppen auf Differenzen treffen. Angesichts dieser Pluralität überrascht es nicht, dass sich die Wahrnehmungen der Marxloher Frauen zu den Themen Ethnizität, Lokalität, ihre Einstellungen zu Familien- und Geschlechterrollenverhältnisse sowie zur Religion und auch der Umgang mit ihrer sozialen Lage stark unterscheiden können. Alle diese genannten Gruppen werden jedoch gerade in statistischen Untersuchungen zur Stadt meist allgemein entweder als „Migrantinnen“ oder als „Deutsche“ zusammengefasst, was der Vielfalt ihrer Lebenswelten, wie sie sich uns in Marxloh darbietet, nicht gerecht wird. Denn dadurch wird verkannt, dass Kulturen im Inneren zu differenzieren und zudem nicht statisch sind, sondern einer permanenten Veränderung unterliegen. Hinzu kommt, dass sowohl unter Zuwanderern als auch Autochthonen ein zum Teil recht großes soziales Gefälle herrscht. Die Vernachlässigung sozialer Unterschiede bei der Untersuchung von Stadt(teil)bewohnern birgt jedoch das Risiko in sich, soziale Gegensätze als kulturelle Kontraste zu interpretieren und somit zu kulturalisieren. Soziale Auseinandersetzungen werden dann möglicherweise als kulturelle gewertet und als unlösbar begriffen. Das hier nun abschließende Desiderat für Folgeuntersuchungen lautet also, das, was wir theoretisch bereits wissen, nämlich dass bei der Erforschung der Lebenswelten von Stadt(teil)bevölkerung(en) sowohl die soziale Dimension als auch gleichermaßen ethnische, religiöse und andere Dimensionen eine Rolle spielen, auch bei der Durchführung unserer empirischen Studien verstärkter umzusetzen.

Publications

  • (2012): „Duisburg-Marxloh. Das kulturelle Mit- und Nebeneinander seit der Gastarbeiteranwerbung 1961 bis heute: interethnischer Austausch und subjektive Wahrnehmung“. In: Oltmer, Jochen; Kreienbrink, Axel; Sanz Diaz, Carlos (Hrsg.) (2012): Das „Gastarbeiter“-System. Arbeitsmigration und ihre Folgen in der Bundesrepublik Deutschland und Westeuropa. München. S. 217–231
    Cöster, Anna Caroline
  • (2014): Zur Lebenssituation von Frauen in Duisburg Marxloh. Einblicke in erste Ergebnisse aus einem laufenden Forschungsprojekt. In: Journal Netzwerk- und Frauenforschung NRW, 34 (2014). S. 42–46
    Cöster, Anna Caroline
  • (2015): „Gekommen, um zu bleiben“?! Eine ethnographische Sicht auf die Zuwanderung von Personen aus Rumänien und Bulgarien in den Duisburger Stadtteil Marxloh. In: El- Mafaalani, Aladin; Strohmeier, Klaus P. (Hrsg.) (2015): Auf die Adresse kommt es an… Segregierte Stadtteile als Problem- und Möglichkeitsräume. Weinheim. S. 329–348
    Cöster, Anna Caroline
 
 

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