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Unterricht im Film. Rekonstruktion der Konstruktionen von Unterricht in Forschungsvideos und Lehrerfortbildungsfilmen

Subject Area General and Domain-Specific Teaching and Learning
Term from 2012 to 2017
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 208643309
 
Final Report Year 2017

Final Report Abstract

Videos und Filme von Unterricht werden in diesem Projekt als Artefakte betrachtet, in denen sich bestimmte Vorstellungen von Unterricht dokumentieren, die für die Produktion dieser Filme (implizit) leitend waren. Um diesen Konstruktionen von Unterricht systematisch nachzugehen, wurde die dokumentarische Methode der Filminterpretation nach Ralf Bohnsack angewandt, in der die Unterscheidung zwischen zwei Gruppen von Akteuren, den Abbildenden (hinter der Kamera) und den Abgebildeten (vor der Kamera), systematisch verankert ist. Bei der Analyse der Videos zeigte sich eine auffällige Diskrepanz zwischen den Konstruktionen von Unterricht seitens der Akteure der Praxis (den Abgebildeten) und den wissenschaftlichen Beobachtern (den Abgebildeten). Sie betraf vor allen Dingen die Inhaltsdimension des Unterrichts. Während sich die Akteure des Unterrichts in ihren Aktionen und Interaktionen auf eine immaterielle Sinnstruktur bezogen, fokussierten die Abbildenden in Form eines naturalistischen Videografierens entweder äußerlich sichtbare Repräsentanten dieser oder einer anderen Sinnstruktur oder andere Dinge, die für sie von Interesse oder Bedeutung zu sein schienen. Eine Wurzel dieser Diskrepanz konnte in der Festlegung der Abbildenden auf ein streng naturalistisches Videografieren, das den Ansprüchen wissenschaftlichen Forschens gerecht wird, verortet werden. Sie resultiert aus der spezifischen Selektivität der Videografie als Erhebungsinstrument. Um die Differenz, die zwischen der enaktierten Praxis und der empirisch sichtbar gemachten Praxis, kurz zwischen Empirie und Praxis, zu Tage tritt zu überbrücken, wäre eine konsequente Orientierung an den Orientierungen der Praktiker von Nöten. Nachdem die Videografie als Erhebungsinstrument gerade dies jedoch nicht leisten kann, wurde eine Prototheorie entwickelt, die die Orientierungen der Praktiker zur Geltung bringen soll und dazu dienen kann, die Selektivität der Videografie auszubalancieren. Diese Prototheorie besteht in einer Modellierung des Unterrichts als dreipolige Aktivitätsstruktur, wobei der dritte Pol die Inhaltsdimension des Unterrichts repräsentiert. Diesem Pol kommt eine besondere Rolle zu, da er den Fluchtpunkt markiert, auf den hin das Vermittlungshandeln des Lehrers orientiert ist und umgekehrt auch erst von diesem her als ein solches verstanden und rekonstruiert werden kann. Dasselbe gilt für das Aneignungshandeln des Schülers, das zwar in anderer Weise auf diesen Fluchtpunkt hin orientiert ist, aber ebenfalls erst von diesem her als ein solches identifiziert und rekonstruiert werden kann. Beiden Formen didaktischen Handelns, dem Vermittlungshandeln und dem Aneignungshandeln, wohnt also eine teleologische Struktur inne. Diese Begriffsbestimmung skizziert das Spezifische des Unterrichts und kann somit als Basis dienen für eine Unterrichtsforschung, die sich als genuin didaktische Unterrichtsforschung versteht, in Ergänzung zur sozialwissenschaftlichen und zur psychologischen Unterrichtsforschung. Sowohl für die Videografie als Erhebungsinstrument als auch für deren Einsatz in der Lehrerbildung erweist sich diese Prototheorie als wichtiges Instrument zur Reflexion des gewählten Vorgehens.

Publications

  • 2014. Variationen eines Falls: Drei Interpretationen vergleichend betrachtet. In Was der Fall ist. Beiträge zur Fallarbeit in Bildungsforschung, Lehramtsstudium, Beruf und Ausbildung. Hrsg. Irene Pieper, P. Frei, K. Hauenschild, und B. Schmidt-Thieme, 151–165. Wiesbaden: Springer VS
    Baltruschat, Astrid
    (See online at https://doi.org/10.1007/978-3-531-19761-6_10)
  • 2015. Unterricht als videografische Konstruktion. In Dokumentarische Video- und Filminterpretation. Methodologie und Forschungspraxis. Hrsg. Ralf Bohnsack, B. Fritzsche, und M. Wagner-Willi, 267–292. Opladen, Berlin, Toronto: Verlag Barbara Budrich
    Baltruschat, Astrid
  • 2017. Die Sache des Unterrichts in der Unterrichtsforschung. In Zeitschrift für interpretative Schul- und Unterrichtsforschung, Heft 5 (2016), 93–110
    Baltruschat, Astrid
    (See online at https://doi.org/10.3224/zisu.v5i1.06)
  • 2018. Didaktische Unterrichtsforschung. Wiesbaden: Springer VS .VIII, 191 Seiten
    Baltruschat, Astrid
    (See online at https://doi.org/10.1007/978-3-658-17070-7)
  • 2018. Zwischen Lehrern und Schülern. Videografische Konstruktionen unterrichtlicher Begegnung. In Die Herausforderungen des Films. Soziologische Antworten, Hrsg. Alexander Geimer, C. Heinze, und R. Winter, 289–411. Wiesbaden: Springer VS
    Baltruschat, Astrid
    (See online at https://dx.doi.org/10.1007/978-3-658-18352-3)
 
 

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