A Social History of Tibetan Societies from the 17th to the 20th Century
Final Report Abstract
Ausgangspunkt unserer Forschungen war eine recht plakative Darstellung der vormodernen tibetischen Gesellschaft in populären Medien. Dem wollten wir ein differenzierteres Bild entgegensetzen. Geographisch haben wir tibetische Gesellschaften Zentral-Tibets, der nordöstlichen Peripherie des tibetischen Siedlungsgebietes und des tibetischen Himalaja untersucht. Sprechen wir daher im Plural von tibetischen Gesellschaften, so sind die unmittelbar der Ganden Phodrang-Regierung unterstehenden Gebiete, die Territorien der diversen Kleinkönigreiche (z.B. Derge und Sikkim), die direkt der Qing-Verwaltung unterstehenden Gebiete Ost- und Nordost-Tibets sowie die weitgehend autonom verwalteten bzw. nur schwach von einer überregionalen Instanz kontrollierten Dorfgemeinschaften im westlichen Himalaja zu unterscheiden. Während die Gesellschaften unter der Ganden Phodrang-Regierung und unter der Herrschaft kleinerer Königreiche sowie in den direkt der Qing-Verwaltung unterstehenden Gebiete Ost-Tibets durch eine feudalähnliche Sozialstruktur geprägt waren und Grund und Boden sowie Viehbestand weitgehend der Aristokratie, den Klöstern sowie der Regierung bzw. dem Königshaus gehörten, wiesen die tibetischen Dorfgemeinschaften im nepalesischen Himalaja eine Struktur auf, in der Grundbesitz und Mitsprache in der dörflichen Verwaltung verhältnismäßig egalitär verteilt waren. Die Grundlage für tibetische Steuereinnahmen bildete die Landwirtschaft. Unter der Ganden Phodrang-Regierung wurden die Steuereinnahmen größtenteils für religiöse Institutionen und religiöse Zwecke verwendet. In den Kleinkönigreichen gehörten zwar auch die Klöster zu den Nutznießern des Steuersystems, doch kamen die Steuereinnahmen vor allem der Königsfamilie zugute. Der größte Teil der Arbeit der Bauern und Viehzüchter in Zentral- und Ost-Tibet bestand in der Erfüllung von Steuerpflichten und Frondiensten gegenüber verschiedenen Institutionen. In den eher egalitär strukturierten tibetischen Dorfgemeinschaften des Himalaja, beispielsweise in Westnepal, hatte Arbeit dagegen einen anderen Charakter. Arbeit wurde hier vielfach als ein Austausch von Leistungen innerhalb der Gemeinschaft erbracht. Klöstern wurden umfangreiche Privilegien zugestanden. Neben der Befreiung von der Steuerpflicht konnte ihnen sogar das Privileg eingeräumt werden, selbst Steuern einzuziehen, z.B. von durchreisenden Kaufleuten. Bei Klosterneugründungen oder einem Mangel an Klosterinsassen konnte das Privileg der sogenannten Mönchssteuer eingeräumt werden, wodurch die lokalen Familien verpflichtet wurden, jeweils einen ihrer Söhne ins Kloster zu schicken. Die Bindung der Bauern und Viehzüchter an ihren Grundherrn, die Gerichtshoheit des Grundherrn, das prinzipielle Verbot der Ausheirat, Abgaben und Frondienste, Kopfzins, Vererbbarkeit der Abhängigkeit und die Verpflichtung zu Abgaben im Todesfall rechtfertigen es, von einem System der Leibeigenschaft im vormodernen Tibet zu sprechen. Dennoch erlaubte diese Rechtsordnung ein gewisses Maß an Flexibilität, indem vor allem hinsichtlich der Mobilität gegen entsprechende Kompensation Ausnahmeregelungen möglich waren, die dann etwa Ausheirat, Arbeitsmigration in begrenztem Umfang, Klostereintritt, Eintritt ins Militär usw. ermöglichte. Die zunehmende Integration Tibets in das Qing-Imperium im Laufe des 18. Jahrhunderts brachte keinesfalls eine Schwächung des tibetischen Klerus in der tibetischen Gesellschaft mit sich. Die Qing-Kaiser unterstützten allerdings eine rigide Gelugpa-Orthodoxie. Die Forschungsergebnisse dokumentieren im Detail die enge Verknüpfung von Religion und Politik im vormodernen Tibet, die Bedeutung der Westmongolen für die frühe Geschichte der Ganden Phodrang-Regierung, die Bedeutung Tibets für die politische Entwicklung Innerasiens im 17. und 18. Jahrhundert, das Ausmaß der Kontrolle, die die Qing-Regierung im 18. und 19. Jahrhundert auf Verwaltung und Regierung Tibets ausgeübt hat und den politisch und ökonomisch prägenden Einfluss der Qing-Regierung auf die tibetische Hierokratie.
Publications
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