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Das Reichsamt für Wirtschaftsausbau als Forschungsbehörde im NS-System

Antragsteller Dr. Sören Flachowsky
Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2012 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 210773592
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Gründung des Rohstoff- und Devisenstabes leitete einen forschungspolitischen Mobilisierungsschub ein, der in der Bildung des Amtes für deutsche Roh- und Werkstoffe seinen vorläufigen Höhepunkt fand. Ähnlich wie in anderen Bereichen des NS-Wissenschaftssystems kam es auch innerhalb der Vierjahresplanbehörde zu einer funktionalen Ausrichtung der Forschung auf die Zwecke des Krieges. Mit der Vierjahresplanorganisation entstand erstmals ein „Behördenapparat für die Durchführung der Industriepolitik“ mit dem Ziel, „alle Projekte in einem einheitlichen Plan zusammenzufassen“. Abgesehen davon, dass die Beauftragung Görings eine zentrale politische Verantwortung definierte, brachte der Vierjahresplan für die Wirtschaftspolitik aber grundsätzlich nichts Neues, da die Autarkiesierung als Kriegsvorbereitung schon seit 1934 den Kurs der Regierung bestimmte. Im Unterschied dazu markierte der Vierjahresplan aber für die Wissenschaftspolitik des Reiches eine wichtige Zäsur, da mit dem Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe erstmals eine Zentralinstanz zur Koordinierung staatlicher und industrieller Forschungseinrichtungen entstand. Im Gegensatz zur lange Zeit vorherrschenden Auffassung, die natur- und technikwissenschaftliche Forschung sei das „Stiefkind“ des NS-Systems gewesen, ist festzuhalten, dass die Verantwortlichen des Vierjahresplans lange vor dem Krieg auf die Problemlösungskompetenz der Forschung setzten, um den Ausbau der deutschen Rohstoffwirtschaft sicherzustellen. In dieser Hinsicht unterschieden sie sich von den Verantwortlichen der Kriegsrohstoffabteilung im Ersten Weltkrieg, die diesen Weitblick 1914 noch vermissen ließen. Die Bedeutung, die man der Forschung im Gesamtrahmen des Vierjahresplanes beimaß, wurde allein schon durch die Größe der Forschungsabteilung Krauchs unterstrichen. Der hybride Charakter des Rohstoffamtes und des aus ihm hervorgehenden RWA verweist zudem auf die enge Verzahnung der gesellschaftlichen Teilsysteme Wissenschaft, Wirtschaft, Staat und Militär. Als Innovationsbehörde des Vierjahresplans agierte das Reichsamt nicht nur als einflussreicher Forschungsförderer, sondern etablierte sich auch als eine zentrale forschungspolitische Steuerungsinstanz. So schuf es einen Verband von Vierjahresplaninstituten, die verschiedene Wege der Ersatzstoffforschung beschritten, aber auch auf unmittelbar rüstungsrelevanten Gebieten arbeiteten. Die Forschung hat bestimmte Spezifika der „Neuen Staatlichkeit“ des Nationalsozialismus herausgearbeitet, die auf das RWA und den Generalbevollmächtigten Krauch zutreffen: Zunächst ist für Krauchs Machtkomplex eine hochgradige Personalisierung der Politik zu konstatieren, die sich etwa in der Nutzung flexibler Instanzenzüge, in der Rekrutierung des Mitarbeiterstabs nach eigenem Gutdünken oder der Beförderung von Mitarbeitern vorbei an den Regeln bürokratischer Verwaltung manifestierte. Neben der Personalisierung kam es aber auch zu einer Informalisierung der Politik, was sich etwa in Formen des public-private-partnership und der Schaffung von Netzwerkstrukturen äußerte, die das System zusammenhielten. So errichtete das RWA einen Kreis von Arbeitsgemeinschaften, die ihm als Kommunikations- und Koordinationsforen dienten, sich auf das Fachwissen wissenschaftlich-technischer Experten stützten und den Problem- und Wissenstransfer zwischen Industrie und Hochschulen optimierten. Gerade diese Gremien machen deutlich, dass das RWA nahezu postmodern anmutende Organisationsformen entwickelte, die zu einer Verzahnung der polykratischen Säulen der NS-Herrschaft führten und diese in Beziehung zueinander brachten.

 
 

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