Verlässliche Steuerung bei unsicheren Messinformationen und Funktionsstörungen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das wissenschaftliche Ziel des Projektes bestand in der Erarbeitung neuartiger Methoden zum Entwurf verlässlicher Steuerungen für ungenau bekannte, dynamische Systeme unter dem Einfluss beschränkter Störungen und unsicherer Messinformationen. Die genannten Einflussgrößen wurden unter dem Begriff der unsicheren Betriebsbedingungen zusammengefasst. Unter der Verlässlichkeit wird einerseits die garantierte Einhaltung von Sicherheitsforderungen durch die Steuerung und andererseits das Ziel verstanden, unter den aktuellen Betriebsbedingungen eine möglichst hohe Systemleistung zu erzielen. Es wurden Systeme betrachtet, bei denen ungünstige Betriebsbedingungen nicht zu einem Ausfall führen müssen, sondern durch gezielte Herabsetzung der Systemleistung ein sicherer Betrieb aufrecht erhalten werden kann. Derartige Systeme bestehen typischerweise aus zwei oder mehreren verkoppelten Regelkreisen, wobei die Forderung der Verfügbarkeit von Systemleistung und die Sicherheitsforderungen an verschiedene Regelkreise gestellt werden. Als Anwendungsbeispiele wurden ein mobiler Roboter sowie ein verfahrenstechnischer Demonstrationsprozess betrachtet. In beiden Fällen besteht eine nichtlineare, multiplikative Kopplung einer Geschwindigkeits- bzw. Durchflussregelung mit einem zweiten Regelkreis, der eine Bahnfolge- bzw. Temperaturregelung betrifft und dessen Regelabweichung garantiert unter einer vorgegebenen Schranke liegen muss. Zur Realisierung der Projektziele wurde die Struktur der verlässlichen Steuerung vorgeschlagen, welche in eine Steuerungsebene und eine Führungsebene gegliedert ist. Die Aufgabe der Steuerungsebene ist es, Stellgrößen an die Strecke so vorzugeben, dass die Sicherheitsforderungen eingehalten werden. Auf der Führungsebene werden die Betriebsbedingungen ermittelt. In Abhängigkeit vom Regelungsziel und den aktuellen Betriebsbedingungen wird eine Führungsgröße für die Steuerungsebene so vorgegeben, dass bei Einhaltung der Sicherheitsforderungen eine möglichst hohe Systemleistung erzielt werden kann. Das Ziel bestand in der Entwicklung von Methoden zum Entwurf beider Ebenen der verlässlichen Steuerung. Die Grundlage für den Entwurf bildeten Einschließungsmethoden, welche gesicherte Aussagen über das Systemverhalten ermöglichen, wenn die Sicherheitsforderungen, Modellunsicherheiten, Messungenauigkeiten und Störungen durch Mengen beschrieben werden. Dem Projektantrag entsprechend gliederte sich das Arbeitsprogramm neben der Implementierung und der Erprobung in mehrere Arbeitsschritte. Die erzielten Ergebnisse werden im Folgenden kurz zusammengefasst: 1. Analyse der Regelstrecke und Festlegung der Systemklasse. Die hier betrachtete Systemklasse ist durch verkoppelte Regelkreise gegeben, wobei die Systemleistung im Regelkreis 1 festgelegt wird, während wichtige Sicherheitsforderungen im Regelkreis 2 zu erfüllen sind. Die unidirektionale Kopplung der Regelkreise wurde für die Leitanwendungen des mobilen Roboters sowie des verfahrenstechnischen Demonstrationsprozesses als nichtlineare, multiplikative Kopplung identifiziert, welche in einem realistischen Arbeitsbereich auf einen monotonen Zusammenhang zwischen der gewählten Systemleistung und dem resultierenden Störverhalten führt. 2. Entwurf der Steuerungsebene (Invarianzregelung). Bekannte Verfahren der Invarianzregelungen für lineare, zeitdiskrete Systeme wurden so erweitert, dass Invarianz auch unter Berücksichtigung beschränkter Messfehler garantiert wird. Für das Anwendungsbeispiel des mobilen Roboters wurde das Reglergesetz ermittelt, implementiert und experimentell erprobt. 3. Ermittlung der Betriebsbedingungen. Es wurde eine Methode zur Einschließung von nicht messbaren, beschränkten Störungen entwickelt. Die Grundlage dafür bilden bekannte Verfahren der Zustandsmengenbeobachtung, die hier durch eine Entwurfsmethode verbessert wurden, mit der die Komplexität des Problems und damit die benötigte Rechenleistung reduziert werden kann. Es wurde außerdem demonstriert, dass die Verwendung von Störmodellen die ermittelten Einschließung von Zustands- und Störgrößen deutlich verbessern kann. 4. Festlegung der Systemleistung (Trajektorienplanung). Die Erarbeitung eines allgemeinen Verfahrens zur Vorgabe der Solltrajektorie an die Steuerungsebene erwies sich als schwierig, da die Sollvorgabe sowohl das Steuerungsziel und die aktuellen Betriebsbedingungen als auch die Eigenschaften der Steuerungsebene berücksichtigen muss. Am Beispiel eines verfahrenstechnischen Demonstrationsprozesses wurde exemplarisch gezeigt, wie die Trajektorie festgelegt werden kann. Die Algorithmen zur Ermittlung der Betriebsbedingung sowie zum Entwurf invarianter Steuerungen wurden in MATLAB/SIMULINK implementiert und zu einer Toolbox zusammengefasst.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Analyse von Systemen mit beschränkter Störung. Technischer Bericht, Lehrstuhl für Automatisierungstechnik und Prozessinformatik, Ruhr-Universität Bochum, 2008
J. Falkenhain
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A set-theoretic approach to dependable control of uncertain linear systems. In: MED '09. 17th Mediterranean Conference on Control and Automation, 2009
P. de León Cantón; J. Lunze
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Set theoretic state observation of disturbed linear systems with parametric uncertainties. at - Automatisierungstechnik, 57(10):506-513, 2009
P. de León Cantón; J. Lunze
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Dependable control of uncertain linear systems based on set-theoretic methods. International Journal of Control, 83(6):1248-1264, 2010
P. de León Cantón; J. Lunze
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Garantierte Störgrößeneinschließung für lineare zeitdiskrete Systeme mit unsicheren Parametern. Technischer Bericht, Lehrstuhl für Automatisierungstechnik und Prozessinformatik, Ruhr-Universität Bochum, 2010
J. Falkenhain
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Invarianzregelung von Systemen mit beschränkten Störungen, Mess- und Parameterunsicherheiten. Technischer Bericht, Lehrstuhl für Automatisierungstechnik und Prozessinformatik, Ruhr-Universität Bochum, 2010
J. Falkenhain
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Verlässliche Steuerung eines verfahrenstechnischen Prozesses. Technischer Bericht, Lehrstuhl für Automatisierungstechnik und Prozessinformatik, Ruhr-Universität Bochum, 2010
J. Falkenhain