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Symbolische Kommunikation und kulturelle Differenz. Visualisierung interkultureller Diplomatie im westeuropäischen Spätmittelalter

Fachliche Zuordnung Mittelalterliche Geschichte
Förderung Förderung von 2012 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 213424938
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ausgangspunkt des Projektes war Frage nach Rahmenbedingungen, Reichweite und Wirkungsgrenzen diplomatischer Ritualität an: Unter welchen Voraussetzungen stiften Rituale und Inszenierungen diplomatische Verbindlichkeit? Das besondere Interesse galt dabei Konstellationen kultureller Diskontinuität: Funktionierten diplomatische Rituale auch über Kulturgrenzen hinweg? Reduzierte kulturelle Differenz die Verbindlichkeit etwa von Vertragsschlüssen? Und auf welche Weise bearbeitete man kulturelle Ge¬gensätze in solchen Konstellationen? Um diese Fragen zu beantworten, sind mehrere spätmittelalterliche Konstellationen in¬terkulturellen diplomatischen Kontakts untersucht, kontextualisiert und historisch inter¬pretiert worden. Dabei hat sich herausgestellt, daß die betreffenden Kontakte und ihre Darstellung bzw. Deutung durch die Zeitgenossen nur dann angemessen zu verstehen sind, wenn man die vielfältigen Netzwerke und Konfliktlinien berücksichtigt, in die derlei Kontakte diesseits der jeweils betrachteten kulturellen Grenzziehungen eingebun¬den sind. So richtet sich etwa die polemische Diskreditierung eines Bündnisschlusses zwischen einem französischen Fürsten und einem ,orthodoxen' serbischen Herrscher gar nicht in erster Linie gegen den schismatischen Serben, sondern vielmehr gegen Venedig, das den betreffenden französischen Fürsten zu der serbischen Allianz veran¬laßt hatte. Entgegen einer inner- wie außerwissenschaftlich verbreiteten Auffassung, derzufolge kulturelle und vor allem religiöse Gegensätze in besonderer Weise gewaltverstärkend wirken, hat sich die Bedeutung kultureller Diskontinuität im Laufe der Projektarbeit sehr viel nuancierter dargestellt als vielfach angenommen. So ist in interkulturellen diplomatischen Konstellationen durchaus keine Reduzierung der Verbindlichkeit von Verträgen u. ä. zu beobachten. Vielmehr nutzen die Zeitgenossen den Verweis auf kulturelle Gegensätze ggf. dazu, ex post den eigenen Vertragsbruch zu rechtfertigen oder — öfter und nicht selten böswillig — einen Vertragsbruch seitens des jeweiligen Partners zu denunzieren. Ein solches Vorgehen ist aber keineswegs ein Spezifikum kulturübergreifender Konstellationen, sondern wird vielleicht noch häufiger auch in intrakulturellen Konstella-tionen beobachtet. Insofern das Projekt zur Nuancierung der These vom „Zusammenprall der Kulturen" und vom besonderen Gewaltpotential religiös fundierter Identitäten beigetragen hat, weisen seine Ergebnisse sicher über die ursprüngliche Fragestellung hinaus. Jenseits der eben¬falls erarbeiteten Aussagen zur Funktion symbolischer Kommunikation in diplomatischen Kontexten — die vielleicht weniger instrumentell zu deuten ist als bisher angenommen — bietet das Projekt daher Anknüpfungspunkte für sehr unterschiedliche Folgeforschungen.

 
 

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