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Remand Detention in Europe. A comparative approach considering aspects of legal theory, criminology and European Law.

Subject Area Criminology
Criminal Law
Term from 2012 to 2016
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 219315043
 
Final Report Year 2017

Final Report Abstract

Untersuchungshaft ist die Inhaftierung eines Beschuldigten zur Prozesssicherung und stellt den denkbar intensivsten Grundrechtseingriff zu Lasten einer als unschuldig geltenden Person dar. Überproportional häufige Inhaftierung von Ausländern in vielen europäischen Staaten, schlechte Haftbedingungen in den Untersuchungshaftanstalten und oft erhebliche Haftlängen sind unter Menschenrechtsgesichtspunkten problematisch, bereiten den Justizverwaltungen jedoch auch unter Organisations- und Kostenaspekten erhebliche Sorgen. Die mediale Aufmerksamkeit für spektakuläre Fälle und die Bedürfnisse einer mitunter populistischen Kriminalpolitik sorgen für zusätzliche Schwierigkeiten in diesem Bereich. Gleichzeitig wird das Ausmaß, in dem Untersuchungshaft in den europäischen Staaten eingesetzt wird, aber auch als Ausdruck eines bestimmten rechtskulturellen Niveaus betrachtet. Die vorliegende Untersuchung verfolgte drei Ziele: Sie würdigte erstmals vollständig die europäische Standards und Initiativen zur Untersuchungshaft auf Europaratsebene (hier vor allem durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte; EGMR) und auf der Ebene der Europäischen Union (hier insbesondere durch Instrumente der gegenseitigen Anerkennung strafprozessualer Entscheidungen, z. B. dem Europäischen Haftbefehl). Zum zweiten wurden Recht, Praxis und Stand der Forschung zur Untersuchungshaft in Deutschland, Polen, England/Wales, Frankreich, Belgien, Litauen, den Niederlanden, Österreich und Irland analysiert. Zum dritten wurde im Sinne einer „angewandten Rechtsvergleichung“ untersucht, inwiefern die Erkenntnisse über Errungenschaften auf europäischer Ebene oder in anderen Staaten dem nationalen Untersuchungshaftrecht kriminalpolitisch verwertbare Impulse geben (z. B. in Deutschland mit Blick auf eine frühe notwendige und ggf. vom Staat finanzierte Strafverteidigung oder den Nutzen von ambulanten Alternativen wie etwa Kautionszahlungen oder die elektronische Fußfessel). Gleichzeitig wurden Schwierigkeiten erörtert, innerhalb der Europäischen Union grenzüberschreitende Strafverfolgungsmaßnahmen durchzuführen, soweit sie mit der Untersuchungshaft und ihrer Vermeidung zusammenhängen. Hier wurde im Studienverlauf offenbar, dass weit mehr Verflechtungen der Strafjustizsysteme und auch weit mehr Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit existieren, als dies in der nationalen Diskussion wahrgenommen wird. Zentrales Ergebnis der Untersuchung ist, dass normativ ein fester Bestand eingriffsbegrenzender gesetzlicher Regelungen zur Untersuchungshaft in den meisten Staaten existiert, der wesentlich von der Europäischen Menschenrechtskonvention in ihrer Auslegung durch den EGMR befördert wurde. Rechtstatsächlich musste aber festgestellt werden, dass die praktische Umsetzung des Gebots, Untersuchungshaft nur als ultima ratio einzusetzen, in den meisten Staaten verfehlt wird: Entweder durch eine allgemein leichtherzige Anordnungspraxis, durch lange Verfahrensdauern (oft kommt beides zusammen) oder zumindest gegenüber bestimmten Personengruppen, zumeist Ausländern oder Wohnsitzlosen. Den Rechtsvergleich anschaulich machen die Ergebnisse zu Unterschieden bei den in Untersuchungshaft genommenen Personen (zum Vergleich berechnet pro 100.000 Einwohner) – diese Rate liegt in den untersuchten Staaten zwischen 13 in Irland und 41 in Litauen. Außerdem ist erkennbar, dass der gemeinsame normative Bestand bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit innerhalb der EU nicht die Unterschiede in der Rechtsrealität überwinden kann, was sogar durch Rechtsprechung des EuGH 2016 für die mancherorts menschenunwürdigen Haftbedingungen anerkannt worden ist. Methodisch wurde deutlich, dass weitere vergleichende Forschung zum Strafverfahren not tut, da die Frage einer rechtsstaatlich angemessenen grenzüberschreitenden Strafverfolgung in Zeiten der Globalisierung und der gemeinsamen Furcht vor Terrorangriffen immer wichtiger wird. Sie ist auch angesichts des national unterschiedlich gut ausgeprägten Schutzes von Rechten der (beschuldigter) Bürger am besten im Verbund von Forscherinnen und Forschern aus verschiedenen Staaten zu leisten – hier setzt ein rechtsvergleichendes Folgeprojekt zu möglichen Alternativen zur Untersuchungshaft an.

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