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Beanspruchung und Kompetenzentwicklung in der Lösung von Entwicklungsaufgaben im Berufseinstieg von Lehrerinnen und Lehrern

Fachliche Zuordnung Bildungssysteme und Bildungsinstitutionen
Förderung Förderung von 2012 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 222202231
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im DFG/SNF-Projekt „Beanspruchung und Kompetenzentwicklung in der Lösung von Entwicklungsaufgaben im Berufseinstieg von Lehrer/innen“ (KomBest) unter Leitung von Uwe Hericks (Marburg) und Manuela Keller-Schneider (Zürich) wurden Lehrpersonen aus Hessen und Zürich der Primarstufe und des Gymnasiums über zwei Jahre in ihrem Berufseinstieg begleitet und beforscht. Das Projekt besteht aus zwei Teilstudien, die sich auf dieselbe Gruppe von Berufseinsteigenden beziehen. Die quantitative Teilstudie (Manuela Keller-Schneider) geht von der Frage nach der Wahrnehmung, Deutung und Bearbeitung beruflicher Anforderungen durch die Berufseinsteigenden aus. Die Berufsanforderungen in ihrer sprunghaft angestiegenen Komplexität – das besondere Strukturmerkmal des Berufseinstiegs – werden in dieser Perspektive als potenzielle Impulse einer professionellen Entwicklung der Lehrpersonen angesehen. Die Teilnehmer/innen bearbeiteten zu drei Zeitpunkten einen Fragebogen (EABest), in welchem berufliche Anforderungen entlang der Perspektiven des subjektiven Gelingens, der subjektiven Wichtigkeit (Relevanz) und der subjektiven Intensität der Auseinandersetzung mit Berufsanforderungen einzuschätzen sind. Die faktoranalytische Auswertung der Daten bestätigt das in Vorgängerstudien entwickelte Modell aus vier berufsphasenspezifischen Entwicklungsaufgaben: identitätsstiftende Rollenfindung (EA1), adressatenbezogene Vermittlung (EA2), anerkennende Klassenführung (EA3) sowie mitgestaltende Kooperation in der Institution Schule (EA4). Dabei zeigen sich schulstufenspezifische Ausprägungen in der Wahrnehmung der Anforderungen aus EA2 und EA3 – Auseinandersetzungen mit Anforderungen dieser Bereiche werden von Primarlehrpersonen signifikant als bedeutsam intensiver eingeschätzt als von jenen des Gymnasiums. Länderspezifische Ausprägungen ergeben sich für die Anforderungen aus EA4. Deutsche Berufseinsteigende schätzen Auseinandersetzungen mit diesen Anforderungen signifikant als bedeutsam weniger intensiv ein als schweizerische Lehrpersonen. Die Länderunterschiede könnten auf tieferliegende Unterschiede in der Wahrnehmung der Schule als Organisation und Institution verweisen, die in einem Folgeprojekt genauer auf ihre berufsbiographischen Hintergründe hin untersucht werden sollen. Die qualitativ-rekonstruktive Teilstudie (Uwe Hericks) nimmt ihren Ausgangspunkt bei der Frage nach habitualisierten handlungsleitenden Orientierungen der Lehrpersonen. Mit insgesamt 30 Untersuchungsteilnehmenden wurden kurz nach Berufsantritt berufsbiographische Einzelinterviews geführt; drei weitere berufsbegleitende Interviews folgten im Abstand von jeweils rund sechs Monaten. In den Analysen mittels Dokumentarischer Methode ließen sich in den Interviews wiederholt Auseinandersetzungen der Berufseinsteigenden mit von ihnen wahrgenommenen Normen identifizieren. In der Rekonstruktion solcher Auseinandersetzungen werden zugleich die darin wirksam werdenden handlungsleitenden Orientierungen (modi operandi) der Berufseinsteigenden sowie ihre beruflichen Habitus erkennbar. Die Analysen mündeten in eine Basistypik aus zwei differierenden modi operandi der Bearbeitung erfahrener Spannungsverhältnisse zwischen Habitus und wahrgenommenen Normen in der Schule: einen konsolidierenden, d.h. sich von wahrgenommenen Normen eher abgrenzenden, und einen modifizierenden, d.h. zwischen Normen und Habitus eher vermittelnden modus operandi. Ferner zeigte sich, dass Berufseinsteigende im Kontext unterrichtsbezogener und organisationsbezogener Interaktionen jeweils unterschiedliche Normen wahrnehmen und bearbeiten. Die Organisation der Schule im Allgemeinen (einschließlich aller in ihr stattfindenden Interaktionen und agierenden Personen) und die professionsspezifische Aufgabe des Unterrichtens im Besonderen (einschließlich aller darauf bezogenen Tätigkeiten) scheinen aus der Perspektive der Berufseinsteigenden demnach zwei unabhängige konjunktive Erfahrungsräume darzustellen. Abschließend können einige vorläufige Implikationen für die Professionalisierung von Lehrpersonen formuliert werden. Der konsolidierende modus operandi bzw. weniger intensive Auseinandersetzungen mit beruflichen Anforderungen unterstützen Professionalisierungsprozesse, sofern priorisierende und selektive Auseinandersetzungen mit Anforderungen und Normen ressourcenschonende, vor Überforderung schützende Haltungen begünstigen. Sie hemmen Professionalisierungsprozesse, wenn der durch vielfältige Anforderungen und Normen ausgelöste Veränderungsdruck nicht alsbald in eine neue Handlungspraxis überführt werden kann. Ein modifizierender modus operandi bzw. intensive Auseinandersetzungen mit beruflichen Anforderungen befördern Professionalisierungsprozesse, insoweit sie das Wissen um alternative Handlungsmöglichkeiten erweitern; sie hemmen Professionalisierungsprozesse, sofern die unterschiedslose, nicht priorisierende Auseinandersetzung mit Normen und Anforderungen zu einer Überforderung im Kerngeschäft oder Diffusität der eigenen Rolle führt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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