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Plastizität weißer Substanz bei Stotternden im Kindes- und Erwachsenenalter

Fachliche Zuordnung Kognitive und systemische Humanneurowissenschaften
Förderung Förderung von 2013 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 226656555
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Wir haben im Rahmen des Antrags die Plastizität weißer Hirnsubstanz bei Stotternden im Kindes und Erwachsenenalter untersuchen wollen. Dabei hat sich die Rekrutierung einer geeigneten Anzahl von stotternden Kindern als für uns nicht überwindbare Hürde herausgestellt. Hingegen waren die Untersuchung zu stotternden Erwachsenen vor und zehn Monate nach Therapie sehr erfolgreich und konnte mit zwei Kontrollgruppen (stotternde Kontrollprobanden ohne laufende Therapie und nicht stotternde Kontrollprobanden) inzwischen analysiert werden. Hierbei zeigte sich nach Therapie eine verstärkte Aktivierung sprechrelevante Areale in den beidseitigen Opercula, im rechten superioren longitudinalen Fasciculus und dem mittleren Corpus callosum. Diese Konsolidierung des gestörten Sprechnetzwerks zeigte sich auch in einer hier erstmals aufgezeigten verbesserten Integrität der Verbindungsbahn zwischen frontalen und parietalen Elementen des Sprechnetzwerkes. In einer Fallstudie mit Verlust des Stotterns nach Kleinhirnblutung konnten wir die läsionsinduzierte, sprechspezifische Mehraktivierung des frontalen und parietalen kortikalen Sprechnetzwerkes nach Läsion bestätigen. In mehreren Studien haben wir Hemmungs- und Bahnungsvorgänge während der Sprechplanung untersucht. Zunächst haben wir die in der kurzen Phase der unmittelbaren Sprechvorbereitung stattfindende Neuroplastizität im Sinne dynamischer, kortikaler Erregbarkeitsveränderungen an stotternden Erwachsenen und Kontrollprobanden untersucht. Dabei zeigte sich eine gestörte Erregbarkeitssteigerung des Zungenmotorkortex vor Sprechbeginn, die mit der Stotterschwere korrelierte und auch für ökologisch valide Sprechbedingungen gefunden werden konnte. Dies zeigt erstmals ein pathophysiologischen Mechanismus von Redeflussstörungen auf. Hieraus ergeben sich auch der Motorkortex und seine Afferenzen als begründetes Zielgebiet für Neurostimulationsinterventionen zur Veränderung der Sprechflüssigkeit. Das Vorgefühl von manchen Stotterereignissen haben wir mit den premotory urges beim Tourette-Syndrom verglichen und einen entsprechenden Fragebogen angepasst und validiert. In einer strukturell die Größe der Basalganglien quantifizierenden, magnetresonanztomographischen Studie fanden wir zudem einen Trend einer Vergrößerung des Nukleus accumbens bei stotternden Erwachsenen, einer Struktur, die als Interface zwischen Emotion und Motorik gesehen wird. uch eine kombiniert funktionell und strukturell magnetresonanztomographische Studie zum Sprechen und Singen bei stotternden Erwachsenen und Kontrollpersonen weist rechtshemisphärische Überaktivierungen bei Stotternden in den Regionen der inhibitorischen Handlungskontrolle auf. Zusammenfassend weisen unsere verschiedenen Studien mit einem Methodenspektrum aus Bildgebung und transkranieller Magnetstimulation auf eine Dysbalance hemmender und bahnender Regelkreise in der Vorbereitungsphase von Sprechbewegungen bei Stotternden Erwachsenen hin. Zudem können wir erstmals eine Konsolidierung des geschwächten Sprechnetzwerkes zehn Monate nach Beginn einer erfolgreichen Stottertherapie in funktionellen und strukturellen bildgebenden Daten zeigen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2018) Adults who stutter lack the specialised pre-speech facilitation found in non-stutterers. PloS one 13 (10) e0202634
    Whillier, Alexander; Hommel, Sina; Neef, Nicole E.; Wolff von Gudenberg, Alexander; Paulus, Walter; Sommer, Martin
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1371/journal.pone.0202634)
  • Speech dynamics are coded in the left motor cortex in fluent speakers but not in adults who stutter. Brain. 2015 Mar;138(Pt 3):712-25
    Neef NE, Hoang TN, Neef A, Paulus W, Sommer M
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1093/brain/awu390)
  • Stottern: Klassisches Problem gestörter Bindung zwischen kortikalen Sprach- und Sprechzentren. Klinische Neurophysiologie 2015,46(3):136-40
    Sommer M, Paulus W
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1055/s-0035-1559701)
  • Left posterior-dorsal area 44 couples with parietal areas to promote speech fluency, while right area 44 activity promotes the stopping of motor responses. Neuroimage. 2016 Aug 16. pii: S1053-8119(16)30415-3
    Neef NE, Bütfering C, Anwander A, Friederici AD, Paulus W, Sommer M
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.neuroimage.2016.08.030)
  • Premonitory Awareness in Stuttering Scale (PAiS). J Fluency Disord. 2016 Sep;49:40-50
    Cholin J, Heiler S, Whillier A, Sommer M
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.jfludis.2016.07.001)
  • Das habe ich jetzt nicht verstanden… Sprach-oder Sprechstörung? Klinische Differenzialdiagnostik bei Aphasien und Dysarthrien. Info Neurologie Psychiatrie 2017;19:32-40
    Primassin A, Olthoff A, Sommer M
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s15005-017-1930-x)
  • Transcranial magnetic stimulation in developmental stuttering: relations with previous neurophysiological research and future perspectives. Clinical Neurophysiology 2017; 128(6):952-964
    Busan P, Battaglini P, Sommer M
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.clinph.2017.03.039)
  • Altered morphology of the nucleus accumbens in persistent developmental stuttering. J Fluency Disord. 2018 Mar;55:84-93
    Neef NE, Bütfering C, Auer T, Metzger FL, Euler HA, Frahm J, Paulus W, Sommer M
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.jfludis.2017.04.002)
  • Shifted dynamic interactions between subcortical nuclei and inferior frontal gyri during response preparation in persistent developmental stuttering. Brain Struct Funct. 2018 Jan;223(1):165-182
    Metzger FL, Auer T, Helms G, Paulus W, Frahm J, Sommer M, Neef NE
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s00429-017-1476-1)
  • Structural connectivity of right frontal hyperactive areas scales with stuttering severity. Brain. 2018 Jan 1;141(1):191-204
    Neef NE, Anwander A, Bütfering C, Schmidt-Samoa C, Friederici AD, Paulus W, Sommer M
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1093/brain/awx316)
 
 

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